Schweigen Archive – Communico Worte wirken, erfahren Sie ihre Kraft Wed, 26 Oct 2022 04:40:31 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.6.2 https://communico.de/wp-content/uploads/2017/08/cropped-Communico-Logo-Favicon-1-32x32.png Schweigen Archive – Communico 32 32 Wer lernen will, muss nicht mehr urteilen https://communico.de/lernen-nicht-urteilen-2-2 Wed, 26 Oct 2022 04:40:31 +0000 https://communico.de/?p=61203 Im Gespräch mit bestimmten Menschen oder in bestimmten Situationen laufen wir immer wieder gegen eine Wand. So sehr wir uns auch bemühen, Ruhe zu bewahren und konstruktiv zu argumentieren: Wir bleiben immer wieder in derselben Sackgasse stecken. Produktives Diskutieren oder Zusammenarbeiten wird so auf Dauer unmöglich. Wie eine Haltungsänderung den Umschwung bringt, erklärt René Borbonus.

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Wer lernen will, muss nicht mehr urteilen 

Wie Sie bessere Gespräche und Beziehungen führen, indem Sie Ihre innere Haltung hinterfragen

Im Gespräch mit bestimmten Menschen oder in bestimmten Situationen laufen wir immer wieder gegen eine Wand. So sehr wir uns auch bemühen, Ruhe zu bewahren und konstruktiv zu argumentieren: Wir bleiben immer wieder in derselben Sackgasse stecken. Produktives Diskutieren oder Zusammenarbeiten wird so auf Dauer unmöglich. Wie eine Haltungsänderung den Umschwung bringt, erklärt René Borbonus. 

 

Fabian und Oliver arbeiten schon seit sieben Jahren in derselben Abteilung. Mit der Zeit haben sie eine Freundschaft aufgebaut. Lange Zeit gingen sie nach der Arbeit regelmäßig zusammen essen oder Squash spielen, um sich über die Arbeit und ihr Leben auszutauschen. Da sie über vieles einer Meinung waren, verliefen diese Gespräche die längste Zeit über harmonisch, und sie vertrauten einander vieles an.

Dann kam die Covid19-Pandemie, und mit der Welt und der Arbeit veränderte sich auch ihre Beziehung. Fabian zeigte sich von Beginn an als Verfechter des Prinzips Sicherheit und hielt sich stets akribisch an alle Vorsichtsmaßnahmen und Lockdown-Regeln. Oliver dagegen machte von Anfang an keinen Hehl daraus, dass er die Einschätzungen von Politik und Wissenschaft für überzogen hielt. Wo immer es ein Schlupfloch gab, die Bestimmungen zu umgehen, nutzte er es aus.

Binnen Monaten wandelte sich die Freundschaft der beiden in ein Minenfeld. Oliver machte sich über Fabians Vorsicht lustig; Fabian kritisierte Oliver dafür, dass er in Kundenterminen und Meetings jedes Mal sofort die Maske abnahm, wenn der Chef nicht dabei war. Oliver bezichtigte Fabian als Faulpelz, wenn der es vorzog, im Homeoffice zu arbeiten; Fabian warf Oliver vor, mutwillig die Gesundheit des ganzen Teams aufs Spiel zu setzen. Schließlich schaukelte sich die Auseinandersetzung eines Abends über dem Feierabendbier so weit hoch, dass Fabian Oliver offen als Verschwörungstheoretiker verurteilte, während Oliver Fabian als Mitläufer betitelte.

Seitdem sind nicht nur die privaten Treffen nach der Arbeit Geschichte; auch ihre Zusammenarbeit in der Abteilung hat massiv gelitten. Die gesamte Abteilung leidet unter der Gesprächsblockade. Der gemeinsame Vorgesetzte droht mit Konsequenzen. Vor allem aber steht eine Freundschaft auf dem Spiel.

Nur die innere Haltung kann Unterschiede versöhnen

Fabian und Oliver sind in einer kommunikativen Sackgasse gefangen, die zwar durch äußere Umstände ausgelöst wurde. Das Problem liegt jedoch nicht im Außen, sondern in der Haltung der beiden Streithähne. Unterschiedliche Meinungen gibt es in jeder Beziehung, unter Kollegen genauso wie unter Freunden und sogar Ehepaaren. Ob diese Unterschiede die Beziehung zerrütten, hängt letztlich davon ab, wie beide Seiten damit umgehen.

Wenn Fabian und Oliver ihre Freundschaft wichtig genug ist, gibt es auch einen Ausweg aus ihrer diskursiven Sackgasse. Vielen Freunden, Kollegen und Familien ist es im Zuge der Covid19-Pandemie so ergangen wie den beiden, und keine dieser Beziehungen muss verloren sein. Dasselbe gilt für Auseinandersetzungen über Klimafragen, den Ukraine-Krieg oder jedes andere kontroverse Thema, das die Menschen in unserem Land und in unserem Leben beschäftigt.

Solange wenigstens eine Seite den Willen hat, etwas an der Situation zu verändern, gibt es einen Ausweg. Doch der liegt nicht darin, sich die Köpfe heiß zu diskutieren, bis am Ende einer gewinnt. Wie im Krieg kann es in dieser Art von Debatte keinen Sieger geben.

Der Weg der Versöhnung beginnt nicht im Außen, auf der Debattenebene – sondern im Innen, auf der Haltungsebene.

Lernende vs. Urteilende Haltung

Ein Theoriemodell, das bei der Versöhnung diskursiver Polaritäten sehr hilfreich ist, ist das sogenannte „Learner-Judger Mindset Model“ der US-amerikanischen Psychologin Marilee G. Adams.[1] Es geht davon aus, dass jeder Mensch zwei diskursive Mindsets bzw. Haltungen in sich trägt, die zu unterschiedlichen Verhaltensweisen im Gespräch führen: die Lernende („Learner“) Haltung und die Urteilende („Judger“) Haltung.

Aus evolutionären Gründen tragen wir beide Haltungen in uns und werden beide unser ganzes Leben lang beibehalten.[2] Die Urteilende Haltung geht vor allem auf unseren Überlebensinstinkt zurück:[3] Unsere Vorfahren mussten blitzschnell zwischen Freund und Feind entscheiden und waren auf ein schnelles Urteilsvermögen und ihre Skepsis Fremdem gegenüber angewiesen, um nicht den Kürzeren zu ziehen. Die Lernende Haltung ist ein Produkt unserer Neugier und unseres Forscherdrangs, der unsere Zivilisation in ihrer heutigen Form überhaupt erst ermöglicht hat.

Abhängig von bestimmten Faktoren – zum Beispiel unserer Vorgeschichte mit der Person des Gesprächspartners – nehmen wir im Gespräch entweder die eine oder die andere Haltung ein. Das geschieht in der Regel unwillkürlich. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir keine Wahl hätten: in jedem Gespräch, bei jedem Gesprächspartner, in jeder noch so hitzigen Diskussion. Nicht nur können wir unserem Mindset in jeder konkreten Gesprächssituation auf die Schliche kommen; wir haben auch die Möglichkeit, es zu ändern. Langfristig ist das Ziel, sich der momentanen Haltung stets bewusst zu sein und das eigene Denk- und Gesprächsverhalten auf diese Weise besser kontrollieren zu können.

Folgende Merkmale zeichnen die jeweilige Haltung aus:[4]

Lernende Haltung Urteilende Haltung
Neugier Selbstgerechtigkeit
Flexibilität Kontrollbedürfnis
Offenheit Sicherheitsdenken

Grundsätzlich schwankt jeder Mensch mit individuell unterschiedlicher Frequenz und Intensität zwischen den beiden Haltungen, da beide zur menschlichen Natur gehören. Die momentan dominante Haltung führt in einem Gespräch zu bestimmten Verhaltensweisen, die der Verständigung entweder förderlich oder hinderlich sein können:[5]

Lernende Haltung Urteilende Haltung
Differenziertheit Abwertung
Akzeptanz Abgrenzung/Distanzierung
Verbundenheitsgefühl Destruktivität
Konstruktivität Aggressivität/Defensivität
Lösungsorientiertheit Selektives Hören
Positives Interpretieren Negatives Interpretieren
Fokus auf Gemeinsamkeiten Fokus auf Unterschiede
Wille zur Verständigung Wahrnehmung von Bedrohungen
Fragen statt Annahmen Annahmen statt Fragen

Entscheidend für das Verhalten in einer bestimmten Situation ist, wie wir aufgrund unserer aktuellen Haltung innerlich mit den Aussagen des Gegenübers umgehen, also: Welche Fragen wir uns selbst über die Gesprächsinhalte und die Motivation der anderen Person stellen. Wer seine inneren Urteile für die Dauer des Gesprächs suspendieren kann, weil er den Anderen wirklich verstehen will, stellt sich andere Fragen als jemand, der innerlich auf Abwehr schaltet, flach atmet und beim Reden die Fäuste ballt, weil er unbedingt Recht behalten will.

Das Geheimnis der Annäherung in Diskursen und in Beziehungen liegt also nicht darin, den anderen argumentativ zu übertrumpfen und von der eigenen Position zu überzeugen – sondern darin, ihm zu demonstrieren, dass man auch seine Meinung respektiert und daran interessiert ist, einen gemeinsamen Nenner zu finden und die Beziehung zu stärken.

Und wie funktioniert das im Gespräch? Es gibt einen einfachen Weg, fast jede noch so verfahrene Diskussion wieder zu einem offenen Gespräch umzugestalten: Wir müssen einfach nur die richtigen Fragen stellen – allerdings nicht dem Anderen, sondern zunächst einmal uns selbst.

Die richtigen Fragen lösen jede Gesprächsblockade

Solange wir in der Urteilenden Haltung bleiben, stellen wir uns innerlich bestimmte Arten von Fragen, während wir die Situation und die Beziehung zu verstehen und für uns zu bewältigen versuchen. Diese Fragen sind aber ganz und gar nicht geeignet, um die Situation aufzulösen, sondern führen uns vielmehr nur noch tiefer in die Urteilsspirale hinein.

So mag Fabian sich in seiner festgefahrenen Meinung über Oliver und seine Position in der Corona-Debatte zum Beispiel folgende Fragen stellen:

  • Wie kann er nur an diesen Verschwörungskram glauben?
  • Warum diskutiere ich überhaupt noch mit ihm, wenn er die wissenschaftlichen Fakten einfach ignoriert?
  • An welchem Punkt hat er den gesunden Menschenverstand verloren?
  • Warum macht er mit seiner Verantwortungslosigkeit unsere Freundschaft kaputt?
  • Was muss passieren, damit er seinen Irrtum erkennt und wieder zur Vernunft kommt?

Erkennt Fabian nun, dass er sich in der Urteilenden Haltung befindet, und wechselt bewusst in die Lernende Haltung, könnten folgende Fragen ihn zu einer anderen Sichtweise auf die Positionen seines Freundes und damit zu einer gezielt herbeigeführten Verständigung führen:

  • Wie ist mein Freund zu dieser Meinung gekommen?
  • Was wünsche ich mir für ihn und für unsere Freundschaft?
  • Was kann ich aus dieser Situation über ihn, über mich selbst und über diese Debatte lernen?
  • Welche Annahmen treffe ich über seine Meinung, ohne die Hintergründe zu kennen?
  • Wie kann ich unsere Freundschaft retten?

Das Beispiel zeigt, welche reflektierenden, inneren Fragen an sich selbst für die Lernende und welche für die Urteilende Haltung typisch sind:

Lernende Haltung Urteilende Haltung
Wie ist es dazu gekommen? Warum bin ich ein Versager?
Was wünsche ich mir und anderen? Warum sind die anderen so dumm?
Was kann ich daraus lernen? Wozu bemühe ich mich eigentlich?
Welche Annahmen treffe ich und was sind die Fakten? Wer ist schuld?
Was denken, fühlen und wollen die anderen? Wer zieht am Ende den Kürzeren, und wer behält Recht?
Verhalte ich mich verantwortungsvoll? Warum sind andere so verantwortungslos?
Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es? Macht das alles überhaupt noch Sinn?
Welche Wahl sollte ich treffen? Wie kann ich andere von ihrem Irrtum überzeugen?

Eine Lernende Haltung einnehmen: 3 Impulse für den Umschwung

Die Unterscheidung zwischen Lernender und Urteilender Haltung ist nicht nur in verfahrenen Beziehungen oder schwierigen Diskursen relevant, wenngleich sie dort besonders effektiv ist. Im Grund entscheiden wir uns in jedem Moment – in jeder Gesprächssituation und bei jedem Schritt in unserer alltäglichen Beziehungsgestaltung – für das eine oder das andere Mindset.

Wichtig ist, sich nicht dafür zu verurteilen, wenn man sich in der Urteilenden Haltung ertappt – sondern sich dessen so oft wie möglich bewusst zu werden und gezielt in die Haltung des Lernenden zu wechseln. Es geht nicht darum, die inneren Urteile auszumerzen, denn sie sind Teil unserer genetischen Programmierung. Wicht ist, eine gesunde Balance zu finden und ein Bewusstsein für den Unterschied zwischen beiden Haltungen zu entwickeln.

Wann immer Sie feststellen, dass ein Gespräch den konstruktiven Pfad verlassen hat oder eine Beziehung sich auseinanderentwickelt, halten Sie inne und klären Sie die Situation neu, um Ihr Gesprächsverhalten ändern zu können:

  1. Impuls 1: Überprüfen Sie Ihre eigene Haltung in diesem konkreten Moment bzw. rückblickend auf einen Dialog: Lernend oder Urteilend?
  2. Impuls 2: Unterbrechen Sie die innere Urteilsspirale und stellen Sie sich klärende Fragen, die auf Verständnis und Lösung zielen.
  3. Impuls 3: Unterbinden Sie abwertende und trennende Verhaltensweisen im Dialog und beginnen Sie, die Haltung des anderen zu ergründen.

 

[1] Adams, M.G., Schiller, M. and Cooperrider, D.L. (2004), „WITH OUR QUESTIONS WE MAKE THE WORLD“, Cooperrider, D.L. and Avital, M. (Ed.) Constructive Discourse and Human Organization (Advances in Appreciative Inquiry, Vol. 1), Emerald Group Publishing Limited, Bingley, pp. 105-124. https://doi.org/10.1016/S1475-9152(04)01005-1

[2] M.G. Adams et al.: Change Your Questions, Change Your Life Workbook, Berrett-Koehler Publishers 2022, S. 25f.

[3] Ebd., S. 25

[4] Ebd., S. 25

[5] Ebd., S. 28 f.

 

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Die Erfolgsbedröhnten https://communico.de/erfolgsbedroehnten-2 Wed, 08 Jun 2022 08:17:51 +0000 https://communico.de/?p=45613 Generationenlang haben wir uns auf dem Erfolg eines „deutschen Modells“ ausgeruht – auch rhetorisch. Diese Legende war besonders deshalb so erfolgreich, weil sie stimmte. Aus demselben Grund bringt sie uns nun jedoch in Bedrängnis: Statt darüber zu reden, was nötig wäre, halten wir an einem rapide alternden Wohlstandsmythos fest, der nicht mehr in unsere Zeit passt. Zeit für ein rhetorisches Update in Zukunftsfragen!

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Die Erfolgsbedröhnten 

Impulse für eine neue Erfolgsdebatte

Generationenlang haben wir uns auf dem Erfolg eines „deutschen Modells“ ausgeruht – auch rhetorisch. Diese Legende war besonders deshalb so erfolgreich, weil sie stimmte. Aus demselben Grund bringt sie uns nun jedoch in Bedrängnis: Statt darüber zu reden, was nötig wäre, halten wir an einem rapide alternden Wohlstandsmythos fest, der nicht mehr in unsere Zeit passt. Zeit für ein rhetorisches Update in Zukunftsfragen! 

 

Deutschland ist Mittelmaß. Das ist ein Satz, an den wir nicht gewöhnt sind. Doch genau da liegt unsere Nation im weltweiten Vergleich seit Jahren bei gleich mehreren gesellschafts- und wirtschaftspolitisch relevanten Schlüsselindikatoren: irgendwo in der unspektakulären Mitte. Sowohl beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als auch beim Umweltschutz und bei der gesellschaftlichen Solidarität ist das der Fall.[1] Die traditionelle Messlatte für nationalen Erfolg das erste, Zukunftsthema Nummer eins und singulärer Überlebensfaktor unserer Spezies das zweite, Grundbedingung für ein funktionierendes Zusammenleben das dritte. Keine Gebiete, in denen man hinterherhinken will, zumal als globale Wirtschaftsmacht und Zugpferd Europas.

Dennoch reden wir uns bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit seltsam erfolgreich, finden Sie nicht? Und andere machen fleißig mit. Die Behauptungen, dass Deutschland eine globale Wirtschaftsmacht sei und Zugpferd Europas, sind ja nicht auf meinem Mist gewachsen. Sie prägen immer noch die Schlagzeilen, national wie international, und natürlich stimmen sie in der Gegenwart in mancher Hinsicht auch immer noch. Es ist Segen und Fluch zugleich: Nach wie vor betrachten wir uns als ausgenommen erfolgreich, und werden von außen so betrachtet.

Dafür gibt es aus meiner Sicht zwei Gründe, und beide sind Mythen. Nicht in dem Sinne, dass sie unwahr wären. Sondern in dem Sinne, dass sie irgendwann den Status von Legenden eingenommen haben, die – ganz im Sinne der uralten mündlichen Tradition – immer weitergereicht werden, von Mensch zu Mensch und von Generation zu Generation. Der eine Mythos ist der vom deutschen Erfolg, der als ähnlich robust betrachtet wird wie deutsche Panzer. Der zweite Mythos ist der vom Erfolg als rein ökonomischem Zahlenspiel.

 

Erfolg aus dem Winkel der Demut betrachten

Auch wenn es wehtut, üben wir uns doch mal in Demut, einfach so zum Warmmachen für die nächsten Jahrzehnte: Pur an Wirtschaftskennzahlen gemessen ist die Ära von Deutschland als Champion in vielen Bereichen bereits vorbei. Deutsche Panzer rollen und Helikopter fliegen (eher) nicht. Der Zeitrahmen für Klimaneutralität bis 2050 ist aus Sicht unserer Kinder betrachtet mit dem Rollator getaktet. In der Corona-Pandemie haben wir uns im europäischen und westlichen Vergleich und angesichts unserer Größe zwar ganz passabel geschlagen. Verglichen mit der Effizienz einiger anderer Länder sahen wir jedoch immer wieder ziemlich alt aus. Und das gilt technologisch betrachtet, insbesondere beim Vorankommen der Digitalisierung, inzwischen in vielen Feldern.

Deutschland, als Gesamtorganismus betrachtet, reagiert sehr träge und sehr widerwillig auf Veränderung und Überraschungen. Als wir im Herbst 2020 bereits von der zweiten Corona-Welle überrollt wurden, waren manche, nein: viel zu viele immer noch mit der Diskussion beschäftigt, ob und unter welchen Umständen eine Maske jetzt wirklich sein müsse. Es ist ein interessantes Anschauungsbeispiel dafür, wie wir uns hierzulande oft selbst ein Bein stellen, wenn es um die Durchsetzung neuer Erkenntnisse und sogar Maßnahmen geht, die uns allen helfen würden. Der Ursprung des Problems mit den Masken lag darin, dass wir erst einmal monatelang auf einem jahrzehntealten Glaubenssatz festhingen: Die Wirksamkeit von Masken sei schließlich nicht bewiesen, und das Tragen damit nicht als hilfreich zu betrachten, hieß es lange auch von Expertenseite. Noch länger dauerte es allerdings, bis die geläuterten Experten dann mal gehört wurden. Anderswo wurden die Dinger eben einfach aufgesetzt, statt auf neue Studien zu warten – schon um die Chance zu wahren, dass sie helfen könnten. Und zwar von allen. So kann man sich Zukunftsthemen nämlich auch nähern: einfach mal machen statt möglicherweise abgehängt werden.

Dafür muss man sich manchmal von bequemen Narrativen verabschieden und neue Abenteuergeschichten schreiben. Aber unser Ding ist das nicht: einfach mal machen. Immer wieder verlieren wir Zeit beim Wiederkäuen alter Erfolgsnarrative, die unser Denken und unsere Debatten für neue Impulse blockieren. Dass der Erfolg uns in den letzten Jahrzehnten immer wieder Recht gegeben hat, macht die Sache nicht leichter. Wir sind erfolgsverwöhnt, und deshalb oft auch: erfolgsbedröhnt. Es mangelt uns manchmal an der nötigen Klarheit, um schnell und effektiv auf einen Wandel der Prioritäten zu reagieren.

Doch die prägenden Veränderungen der Gegenwart und der Zukunft, auch die erfreulichen, sind nun mal nicht träge und zurückhaltend. Sie verhalten sich eher wie Pandemien: Sie kommen schnell, mit Macht und unerwartet. Deshalb begünstigen sie die Anpassungsfähigen, die Klarheit darüber haben, wer sie sind und wohin sie wollen. Vielleicht ist das ein Grund, warum kleinere, jüngere Gesellschaften im Aufwind wie Taiwan und Neuseeland bei radikal neuen Herausforderungen punkten können: Sie arbeiten gerade sowieso schon aktiv und progressiv an ihrer Identität und an ihrem Erfolgsmodell. Und: Sie führen angeregte innere Debatten darüber.

 

Worüber reden wir in Zukunft, wenn wir über Erfolg reden? 

Die Frage ist also: Sollten wir aufhören, über den deutschen Erfolg zu reden? Oder sollten wir stattdessen anders über den Erfolg reden? Die Antwort liegt in einer weiteren Kennzahl verborgen, die einen klaren Weg in die Zukunft weist, und zwar wirtschaftlich wie rhetorisch: Im Gegensatz zu anderen Indikatoren liegt Deutschland bei der Ermächtigung seiner Bürger weltweit auf einem Spitzenplatz, wie internationale Wirtschaftsforscher betonen.[2] Der allgemeine wirtschaftliche und technologische Fortschritt ist bei uns besser als anderswo an den gesellschaftlichen, sozialen und ökologischen geknüpft. Das ist die positive Kehrseite unserer meinungsfreudigen, weil gleichzeitig relativ sicheren und relativ freien Gesellschaft, die alles erst einmal ausdiskutiert.

Wenn der deutsche Weg beinhaltet, dass die Selbstverantwortung der Bürger maßgeblich für die Umsetzung des Wandels ist, kann uns das auch in Zukunft (wieder) eine Vorreiterrolle bescheren. Denn mit diesem etwas anderen „deutschen Modell“ wären wir bestens für Zukunftsthemen gerüstet, die nur durch eine kollektive Kraftanstrengung zu bewältigen sind.

Damit wir diesen Vorteil nutzen können, müssen wir allerdings von unserer Legendenrhetorik runterkommen und den Blick nach vorn richten, und zwar gemeinsam. Dann können wir nämlich anfangen, anders über Erfolg zu denken und zu reden – die ganzheitliche und nachhaltige Art von Erfolg, in dem die Experten die Zukunft sehen. Wir müssen aufhören, uns auf dem Polster alter Mythen auszuruhen und uns so schnell wie möglich auf unsere zukunftsfähigen Stärken besinnen. Unter ideologischer und rhetorischer Einbeziehung unserer Kinder müssen wir uns die Köpfe heißdiskutieren über die Themen, die jetzt dran sind.

Schon Sokrates hat festgehalten: In den Zeitformen der Vergangenheit klärt man Schuldfragen. Außerhalb eines Gerichtssaals sind sie für Entscheidungsfragen untauglich. Über Lösungen spricht man im Futur, denn die Auswirkung einer Entscheidung liegen in der Zukunft. Betrachten wir es doch einmal so: Der größte Erfolg, den die Generation unserer Kinder erzielen kann, wäre ein Aufhalten oder wenigstens massives Ausbremsen des Klimawandels. Kein, aber auch gar kein anderes Ziel ist auch nur annähernd ähnlich bedeutsam. Wenn wir noch eine Generation weiter in die Zukunft unserer Enkel schauen, potenziert sich die Bedeutung dieses Ziels noch einmal. Führen wir aus dieser Warte gesehen gerade wirklich die richtigen Debatten? Ich finde, wir schulden es unseren Kindern, darüber wenigstens mal vorbehaltlos nachzudenken.

Wenn wir in Zukunft über Erfolg reden, sollten wir über Fragen der Zeit sprechen – und zwar so offen und vorurteilsfrei wie möglich. Verabschieden wir uns von veralteten Indikatoren für gesellschaftlichen Wohlstand als zentralen Argumenten in unseren Debatten. Legen wir den Fokus auf neue, zeitgemäße, produktive Gründe, warum wir erfolgreich sind und weiterhin sein können. Halten wir uns daran, wenn wir Entscheidungen treffen, die unsere Zukunft und die unserer Kinder prägen.

 

Mehr Flexibilität in der Meinungsbildung

Was uns auf der Suche nach dem Erfolg der Zukunft enorm helfen würde, wäre eine größere Meinungsflexibilität. Neben dem Festhalten an alten Glaubenssätzen ist das ein weiteres zentrales Problem in unseren rhetorischen Gewohnheiten: Wir gestehen Menschen nicht zu, dass sie ihre Meinung ändern.

Beispiel Energiewende: Noch heute nehmen viele Angela Merkel übel, dass sie nach dem globalen Trauma von Fukushima ihre Haltung zur Kernenergie änderte und mit Vehemenz den Atomausstieg auf den Weg brachte. Die öffentliche Meinung (und die konservative Agenda) wollten ihr einfach nicht zugestehen, was in jeder normalen Biografie selbstverständlich ist: Einschneidende Erlebnisse können die Art verändern, wie Menschen über ein Thema denken – und das aus gutem Grund.

Beispiel COVID-19: Seit Beginn der Pandemie rotiert der gesamte Wissenschaftsbetrieb ohne Unterlass auf Hochtouren, um uns schnellstmöglich einen Durchbruch im Kampf gegen das Virus zu bescheren. Aber statt auf die Wissenschaftler zu hören, warfen viele ihnen monatelang vor, dass sie in puncto Maskenpflicht begründet ihre Meinung geändert hatten und auch in anderen Fragen laufend ihre Empfehlungen anpassten. Dabei war gerade dieser Kampf um Aktualität der eindrücklichste Beweis für ihre Effektivität!

Wenn sich Dinge ändern, muss es gerade Entscheidungsträgern erlaubt sein, ihre Meinung anzupassen. Dafür dürfen wir sie nicht verdammen, nein: Daran müssen wir uns ein Beispiel nehmen.

 

Scheitern als Teil des Weges

Noch ein rhetorischer Bremsklotz ist unser rhetorischer Umgang mit Fehlern. Auf dem Weg zu einem neuen Verständnis von Erfolg, genauso wie auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Welt, werden wir immer wieder scheitern – im Kleinen und im Großen, als Einzelne und gemeinsam, schmerzhaft und lehrreich. Deshalb ist es von großer Wichtigkeit, dass wir aufhören, Fehler zu verdammen und Menschen, die Fehler machen, anzuprangern.

Scheitern ist keine Schande, und jeder Mensch mit ein paar Kapiteln Vorgeschichte weiß das genau. Scheitern ist Teil des Erfolgs: Wer keine Fehler macht, der hat nicht wirklich etwas gewagt. Fehler sind nichts anderes als Lernchancen. Nicht umsonst erfreuen sich die sogenannten „Fuck-up Days“ großer Beliebtheit. Bei diesen Veranstaltungen berichten Gründer von ihren Fehlern, damit andere sie nicht wiederholen müssen. In manchen Unternehmen wird sogar der „Fehler des Monats“ gefeiert und prämiert – also der Fehler, aus dem das gesamte Unternehmen am meisten lernen konnte.

Eine offene Fehlerkultur brauchen wir aber nicht nur in den Unternehmen, wir brauchen sie auch als Gesellschaft. Denn bei bisher beispiellosen Herausforderungen wie der Erderwärmung, globalen Highspeed-Pandemien und digitalem Wandel können wir uns anstellen, wie wir wollen: Fehler werden passieren. Viele Fehler, dramatische Fehler. Sie in Fortschritt zu verkehren wird eine Kernkompetenz sein. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir offen über sie reden können und, noch einen Schritt vorher: Entscheidungsträgern zugestehen, dass sie auch mal Fehler machen. Niemand darf dafür angeprangert werden, solange er aus ihnen lernt.

Akteure des Wandels dürfen nicht das Gefühl haben, dass sie Fehler vertuschen müssen. Taktische Fehlertoleranz wird ein Erfolgsindikator der Zukunft sein.

 

Drei Impulse für die Erfolgsdebatten der Zukunft

Erfolg wird in Zukunft etwas anderes sein als das, was wir in Deutschland lange Zeit darunter verstanden haben. Vor allem aber werden wir zukünftig anders über Erfolg reden müssen, um uns nicht selbst für entscheidende Zukunftsimpulse zu blockieren.

Natürlich mache ich mir nichts vor: Den Sprung zu einem neuen Erfolgsdenken und zu einer neuen Debattenkultur werden wir nicht von jetzt auf gleich machen. Die alten Narrative werden sich hartnäckig halten, eine Weile noch. Und jenen, denen wir unseren bisherigen Erfolg verdanken, schulden wir Respekt – für das Fundament, auf dem wir stehen und auch für ihre Geschichten, aus denen wir lernen können.

Doch der Status quo ist eindeutig: Wir brauchen eine neue Definition von Erfolg – ein neues, deutsches Modell. Das sollten, das können wir nur gemeinsam aushandeln, so wie wir den Erfolg an sich nur kollektiv erreichen können. Drei rhetorische Impulse für diese Debatte können helfen, unser Denken zu öffnen und konstruktiv über die nötigen Veränderungen in unserer Gesellschaft zu diskutieren:

  1. Nehmen wir respektvoll und dankbar Abschied von Legenden über vergangene Erfolge und öffnen wir uns für ein neues Verständnis von Erfolg, indem wir zukunftsfähige Stärken fokussieren und die Debatte im Futur führen.
  2. Gestehen wir Menschen zu, ihre Meinung zu ändern, wenn sich die Sachlage ändert. Gesellschaftliche Akteure, die von der öffentlichen Meinung handlungsunfähig gemacht werden, können keinen Wandel anstoßen.
  3. Reden wir über Fehler als Entwicklungschancen, anstatt sie zu tabuisieren und Menschen für ihr Scheitern anzuprangern. Fehler mindern den Erfolg nicht, sondern tragen dazu bei, wenn wir sie schnell und konstruktiv thematisieren.

[1] Katharina Lima de Miranda, Dennis J. Snower: Was wirklich zählt, Die Zeit Nr. 9, 20.02.2020, S. 28

[2] Ebd.

 

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Respekt-Trainerausbildung im Seminarhaus Lichtung an der Pegnitz https://communico.de/respekt-trainerausbildung Mon, 04 Apr 2022 13:25:22 +0000 https://communico.de/?p=37538 Für mich als Kommunikationstrainer gibt es kein erhebenderes Gefühl als zu erleben, wie Kommunikation etwas verändert. Die Momente, wenn Gespräche etwas bewirken, gehören zu den wichtigsten und schönsten im Leben vieler Menschen. Der Treiber dieser Veränderung ist sehr oft der Respekt. Bei der ersten Respekt-Trainerausbildung in der Lichtung an der Pegnitz im Februar 2022 habe ich gleich eine ganze Reihe solcher Augenblicke erleben können, wo sich etwas bewegt hat – weil Menschen einander und die Kommunikation neu entdeckt haben.

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Neues Format: Respekt-Trainerausbildung

Für mich als Kommunikationstrainer gibt es kein erhebenderes Gefühl als zu erleben, wie Kommunikation etwas verändert. Die Momente, wenn Gespräche etwas bewirken, gehören zu den wichtigsten und schönsten im Leben vieler Menschen. Der Treiber dieser Veränderung ist sehr oft der Respekt. Bei der ersten Respekt-Trainerausbildung in der Lichtung an der Pegnitz im Februar 2022 habe ich gleich eine ganze Reihe solcher Augenblicke erleben können, wo sich etwas bewegt hat – weil Menschen einander und die Kommunikation neu entdeckt haben.

Genau das war meine Motivation bei der Entwicklung dieses neuen Formats. Das Mittel des Respekts ist die Kommunikation, und Kommunikation ist das Gestaltungsmittel all unserer Beziehungen. Doch respektvolle Kommunikation ist kein Selbstläufer. Respektvoll miteinander reden will gelernt sein. Was wir heute mehr denn je in jeder Nische unserer Gesellschaft brauchen, ist eine Kultur des Respekts. Doch sie zu entwickeln, setzt Übersicht, Reflexion und Erfahrung voraus.

Das ist der Gedanke, aus dem meine Vision von einer Community im Zeichen des Respekts geboren wurde. In ihr kulminiert alles, was ich in den vergangenen 15 Jahren über Respekt gelernt, gesagt und geschrieben habe. Ich möchte eine Gemeinschaft von Menschen begründen, die sich aus Überzeugung als Multiplikatoren für Respekt engagieren wollen – sei es in Unternehmen, Schulen, Verbänden, Vereinen oder Familien.

Mit eigenen Augen zu sehen, wie diese Vision sich mit Leben füllt, war ein besonderes Erlebnis für mich. Bei der ersten Runde des zweiteiligen Seminars fand eine bunte Mischung aus Trainern, Führungskräften, Personalern, Unternehmern, Bürgermeistern, Ärzten, Pädagogen, Investmentbankern und anderen Teilnehmern zusammen. Wenn ihre Ausbildung nach dem zweiten Teil im April abgeschlossen ist, werden viele von ihnen in das optionale Lizenzmodell eintreten, das allen Teilnehmenden offensteht.Schon bald werden sie die Botschaft des Respekts als lizensierte Respekttrainerinnen und Respekttrainer in ihre Organisationen und in die Öffentlichkeit tragen.

Während ihre Qualifikation im Rahmen des Lizenzprogramms kontinuierlich weitergeht und von zahlreichen Community-Aktivitäten begleitet wird, beginnt im Herbst bereits die Ausbildung des zweiten Jahrgangs von Respekt-Trainerinnen und -Trainern.

In seiner neuesten Ausgabe berichtet auch das Magazin „reden“ über die neue Respekt-Trainerausbildung. Den vollständigen Beitrag können Sie hier lesen.

Noch sind einige Plätze für das 2 x 2,5-tägige Training ab Oktober 2022 frei. Wie Sie sich bewerben können und alles weitere über die Respekt-Trainerausbildung erfahren Sie auf der nagelneuen Webseite zum Format: www.respekt-trainer.de.

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Fachartikel von Stefan Verra https://communico.de/koerpersprache-braucht-kein-mensch Mon, 04 Apr 2022 13:22:02 +0000 https://communico.de/?p=37597 Körpersprache ist mehr als nur ein Lächeln. Nutzen Sie die volle Vielfalt Ihrer Mimik, ihrer Gestik. Zeigen Sie Ärger, Unverständnis, Freude und Überraschung. Wer sich klar deklariert, ist als Gesprächspartner relevant.

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Körpersprache? Braucht kein Mensch!

Ausbildung und Wissen, dann steht dem Erfolg nichts im Weg! Je mehr Wissen, desto erfolgreicher. Sicher, klar doch. Hätten wir ja bei der US-Wahl 2016 gesehen. Manche Experten meinen, dass damals gar nicht der mit dem größten Durchblick gewonnen hat. „Ja, die Amis, sind ja anders als wir. Bei uns zählen dann doch eher die Fakten.“Wir hier entscheiden uns für Politiker erst nachdem wir die Parteiprogramme gelesen, verglichen und mit Fachexperten durchgearbeitet haben. Sicher, klar doch.

Viel zu oft übersehen wir, dass unser Gehirn sehr wohl das Wissen Anderer wertschätzt. Allerdings nur von jenenMenschen, die es vorher als relevant eingeschätzt hat.

Kompetenz glauben wir nur denen, die kompetent wirken.

Relevant ist, wer uns emotional das gibt, was wir im Moment brauchen. Einfach gesagt: Sie lassen einen Fremden nur dann in Ihr Haus, wenn er sympathisch und ungefährlich aussieht. Und einem Arzt glauben Sie nur dann, wenn er kompetent wirkt. Das Gehirn ordnet zuerst anhand nicht-inhaltlicher Faktoren ein. Erst wenn diese Faktoren stimmen, ist das Gehirn bereit für die Aufnahme inhaltlicher Fakten.

Struktur und Sympathie

Wenn René über Relevanz schreibt, spricht und doziert, meint er genau das. Seien Sie relevant für das Gehirn und die Gefühlswelt Ihres Gegenübers. Dazu gehört Klarheit und Eindeutigkeit in Ihrer Wortwahl und im Aufbau ihrer Rede. Nur wenn Ihr Gegenüber das Gefühl hat, den Durchblick zu haben, wird es Ihren Inhalten folgen. Und auf einer anderen, ebenso entscheidenden Ebene, entsteht ein Gefühl von Sympathie und Kompetenz. Diese Ebene ist zum größten Teil non-verbal, also körpersprachlich.

Deutlich wird die Bedeutung der Körpersprache, wenn sie fehlt. Sprechen Sie mal mit einem Menschen, der keinerlei Regung zeigt, Sie ohne mimische Signale, fast versteinert anschaut. Bereits nach wenigen Worten werden Sie ein massiv ungutes Gefühl bekommen. (Sollte es Ihre Frau sein, ist die richtige Antwort: „Ich geb’s zu!“)

Daran können Sie schnell sehen, wie stark wir auf die Körpersprache reagieren.

Oft macht eine einfache Handdrehung schon den Unterschied, ob sie als selbstsicher oder nervös wahrgenommen werden. Es sind meist die kleinen subtilen Mittel, die am Ende den großen Unterschied machen.

Denn wichtig ist, dass sie dabei Ihre Persönlichkeit nicht an der Garderobe abgeben, sondern lernen, das, was Sie ausmacht zum Strahlen zu bringen.

Sympathisch und kompetent wirken und Struktur in den Ausführungen haben, ermöglicht Relevanz.

Tipp: Seien Sie nicht versteinert! Zeigen Sie Ihre Emotionen auch bei Präsentationen, Bewerbungsgesprächen und Reden. Körpersprache ist mehr als nur ein Lächeln. Nutzen Sie die volle Vielfalt Ihrer Mimik, ihrer Gestik. Zeigen Sie Ärger, Unverständnis, Freude und Überraschung. Wer sich klar deklariert, ist als Gesprächspartner relevant.

Möchten auch Sie Ihren Körper in Gleichklang mit Ihren Worten bringen? Dann ist das Spezialseminar „Rhetorik und Körpersprache“ genau das richtige für Sie. Hier gehts zu den Infos und zur Anmeldung.

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Zusammenfinden https://communico.de/zusammenfinden Mon, 04 Apr 2022 10:56:36 +0000 https://communico.de/?p=37532 Auch in der Kommunikation hinterlässt Corona eine Krise. Trauer, Wut und Unsicherheit haben sich tief in aktuelle Debatten gefressen. Lesen Sie hier drei Impulse für die Rückkehr zum Dialog.

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Zusammenfinden 

Wie wir das Diskurstrauma überwinden, das Corona hinterlässt

Das Virus hat viel mehr in unserer Gesellschaft angerichtet als das, worüber täglich berichtet wird. Auch in der Kommunikation hinterlässt Corona eine Krise. Trauer, Wut und Unsicherheit haben sich tief in aktuelle Debatten gefressen, und von dort aus in unseren täglichen Umgang miteinander. Nicht nur unser Organismus, auch unsere Gespräche müssen heilen. Lesen Sie hier drei Impulse für die Rückkehr zum Dialog.   

 

Seit etwa zwei Jahren schmerzt mein inneres Ohr. Obwohl die Medizin nichts gefunden hat, bin ich mir sicher: Das ist ein Corona-Symptom, und ein langfristiges dazu, welches für viele Menschen gilt, denen es im Moment in irgendeiner Weise nicht gut geht –  ob infiziert oder nicht.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir Deutschen, wir Europäerinnen und Europäer, wir Menschen zu meinen Lebzeiten schon einmal so schlecht miteinander umgegangen wären. Auch in meinem direkten Umfeld liegen Beziehungen in Scherben – freundschaftliche, geschäftliche, familiäre, romantische. Ein guter Freund wohnt seit kurzem nicht mehr mit seiner Lebensgefährtin zusammen. Sie hatte zuletzt regelmäßig an Querdenker-Demos teilgenommen, und er kam irgendwann nicht mehr damit klar.

Das muss man sich einmal vorstellen: In einer Gesellschaft, in der interkulturelle, interkonfessionelle und sogar intertextile Partnerschaften (also solche zwischen Fans in verschiedenen Mannschaftstrikots) zur Normalität gehören, können Menschen sich nicht über etwas verständigen, das sie alle gleichermaßen betrifft. So sehr wir das kollektive Trauma Pandemie ad acta legen wollen: Was wir gerade erleben, ist eine Sinnkrise der Demokratie – und zwar eine, die sich ganz konkret auf unsere Lebensweise auswirkt. Die können wir nicht einfach abhaken. Denn genau das, was die erbitterten Auseinandersetzungen schützen sollen, geht darüber kaputt: unser Sinn für Gemeinschaft in Freiheit.

„In dieser Pandemie kann man wieder gut beobachten, wie sich konträre Meinungen gegenseitig stabilisieren“, hat die Süddeutsche Zeitung in diesem Zusammenhang den Soziologen Armin Nassehi zitiert. Sein Forschungsgebiet ist der Zerfall moderner Gesellschaften. Beruhigend beunruhigend, dass Geschichte offenbar auch in dieser Hinsicht dazu neigt, sich zu wiederholen. Niemand mag das Wort „müssen“, doch in diesem Fall ist es gewissermaßen … alternativlos: Wir müssen wieder zusammenfinden und den Dialog wieder aufnehmen. Die Frage ist: Wie stellen wir das an?

Die beste Nachricht vorab: Es ist nicht so schwierig, wie die große Enttäuschung und Frustration es derzeit scheinen lassen. Drei Vorschläge für Debatten zwischen Partnerinnen und Partnern, Freundinnen und Freunden, Nachbarinnen und Nachbarn, Fraktionen und Bevölkerungsgruppen können dabei helfen, die klaffenden Lücken mit rhetorischen Mitteln wieder zu schließen.

 

  1. Neu zuhören lernen

Zuhören zu können ist die wichtigste Dialogkompetenz von allen. Das mag erst mal seltsam klingen, ist bei näherer Betrachtung aber nur logisch: Es ist unmöglich, einander zu verstehen, wenn man die Worte anderer gar nicht wahrnimmt. Die Momente, in denen man in einem Gespräch nichts sagt, sind für die Verständigung oft die wichtigsten. Deshalb gehören sie auch zu den anspruchsvollsten. Genau hier liegt ein ganz wesentlicher Grund dafür, warum eine ganze Reihe von Debatten während der Pandemie so sagenhaft aus dem Ruder gelaufen sind: Wir debattieren zu ich-fixiert.

Um eine Gesprächspartnerin oder einen Gesprächspartner (oder ein paar Millionen Meinungstragende) richtig zu verstehen, muss man für die Dauer des Zuhörens das eigene Ego suspendieren. Nicht halbherzig, sondern ernsthaft und gründlich, wenn man einer gegensätzlichen Haltung wirklich folgen und die Beweggründe in der Tiefe verstehen will. Das ist überhaupt nicht trivial, wie das folgende Beispiel verdeutlicht: Zu Beginn der Pandemie haben wir wertvolle Monate (!) damit verschwendet, uns über die Frage einer Maskenpflicht zu zerstreiten. Nicht etwa, weil das eine politische Pro- und Contra-Frage gewesen wäre, denn gewünscht hat sich die Dinger wohl niemand. Es lag noch nicht einmal daran, dass die einen sich auf die wissenschaftlichen und die anderen auf die freiheitsrechtlichen Argumente einschossen. Dass die Politik und sogar die Wissenschaft sich erst lange Zeit uneins über die Schutzwirkung waren, hat nicht gerade geholfen, klar. Doch auch, als die Argumente sortiert waren, blieb die Trennung bestehen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich beide Parteien nämlich längst hinter ihrer gefassten Meinung verschanzt – zu beiden Seiten eines tiefen, weiten Grabens. Und der klafft immer noch. Er zieht sich mitten durch jedes Bahnabteil, jeden Supermarkt und sogar durch manche Familie.

Da ist es vollkommen egal, wie laut die eine oder die andere Seite sich Gehör verschafft: Das Problem liegt bei der Empfangskompetenz, nicht bei der Sendekompetenz. Wir hören nicht zu, um zu verstehen; wir hören zu, um zu erwidern. Während die Impfgegnerin oder der Impfgegner spricht, denkt sich die Impfbefürworterin oder der Impfbefürworter nicht etwa in das Gesagte hinein und sucht nach Anknüpfungspunkten. Genau das würde es für einen funktionierenden Dialog aber brauchen. Vielmehr sind die Kontrahentinnen oder Kontrahenten mit ihren inneren Widerständen beschäftigt. Sie sind davon vereinnahmt, eine Retourkutsche zu formulieren. Die hat mit den Argumenten des Gegenübers dann auch oft nicht viel zu tun: „Was verstehst du schon von Medizin!“ – „Du glaubst auch jeden Mist!“

Die gute Nachricht ist: Das alles muss keineswegs absichtlich geschehen. Oft sind die Diskutierenden auch gar nicht gut genug informiert, um ernsthaft von ihrer Position überzeugt zu sein. In ganz vielen Streitgesprächen werden nur Argumente von anderen übernommen und aufeinander abgefeuert, weil viele sich permanent angegriffen fühlen und dünnhäutig werden. Könnten die Redenden einander besser hören, würden sie oft feststellen, dass sie durchaus nicht frei von Schnittmengen sind: Wir alle hätten gern mehr Bewegungsfreiheit, und wir alle haben das Feindbild Corona gemeinsam.

Das ist eine gute Nachricht, denn das bedeutet: Wir können schon dadurch wieder ein Stück zusammenrücken, dass wir einfach nur besser zuhören. Sich die inneren Widerstände, die den Adrenalinpegel hochschnellen lassen, bewusst zu machen, kann bereits sehr viel verändern. Wenn man weiß, dass sie da sind und was sie reizt, kann man sie bändigen lernen – und mehr von dem hören, was verbindet.

Wenn man sich auf diesen Schritt über den Ego-Graben einlässt, können auch im schwierigsten aller Dialoge Wunder geschehen. Plötzlich entdeckt man Brücken, für die man vorher blind war. Der vollkommen wahnsinnige Impfgegner hat auch Kinder und genauso viel Angst um sie. Und die naive Impf-Mitläuferin will gar nicht von Bill Gates versklavt werden, sondern nach anderthalb Jahren ihre kranke Mutter wiedersehen.

Wenn wir es schaffen, einander wieder besser zuzuhören, empfinden wir auch wieder horizontalen Respekt voreinander als Menschen. Das ist die einzige Schwelle, die wir wirklich überspringen müssen. Der Rest ist Reden, und: Geduld.

 

  1. Prozesshaftigkeit von Beziehungen akzeptieren

Mit Geduld meine ich übrigens nicht, dass wir einander jeden Blödsinn durchgehen lassen. Genauso wenig meine ich, dass wir aus einem falsch verstandenen Harmoniebedürfnis heraus noch die demokratiefeindlichsten Sprüche ins Vokabular einer verzerrten, neuen Normalität überführen sollten. In der Sache brauchen wir den Diskurs, und irgendwann in zentralen Punkten auch mal eine Lösung. Eine deutliche.

Was ich meine, ist die Bereitschaft, Meinungsverschiedenheiten an sich zu tolerieren – als Bestandteil einer gesunden Beziehung und einer gesunden Gesellschaft. Klar, in den letzten Monaten ist viel Porzellan zerschlagen worden. Da ist es leicht(er), sich in die vermeintliche Sicherheit „klarer Verhältnisse“ zu retten und Brücken einzureißen, die zu sanieren mühevoll ist.

Was wir in solchen hitzigen Debatten vergessen ist, dass in keiner Beziehung immer Einigkeit herrscht. Beziehungen sind immer under construction. Wer sich darauf nicht einlassen mag, kann auf Dauer keine führen. Jens Spahn mag nicht zuletzt sich selbst gemeint haben, als er in einer frühen Phase der Corona-Bekämpfung sagte: „Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen.“ Recht hatte er damit trotzdem.

Die Pandemie hat uns mit erschreckender Deutlichkeit vor Augen geführt, wie schnell Beziehungen sich negativ entwickeln können, um nicht zu sagen: den Bach runtergehen. Doch genauso schnell können sie sich auch wieder positiv entwickeln. Manchmal reicht eine Begegnung, ein Zeichen guten Willens, ein Satz sogar, um das Eis zu brechen und wieder ins Gespräch zu kommen.

Nichts ist in dieser Hinsicht wirkungsvoller als eine aufrichtige Entschuldigung. Nicht dafür natürlich, dass man anderer Meinung ist und das auch ausgesprochen hat.  Sondern dafür, wie man gesagt hat, was man gesagt hat. Daran scheitern Dialoge, nicht an den Inhalten – also sollte an dieser Stelle auch die Heilung ansetzen.

Eine aufrichtige Entschuldigung ist rhetorisch übrigens keine hohe Kunst. Sie besteht aus drei Schritten: 1. Reue, 2. Empathie, 3. ein Plan. Im Falle zweier Nachbarinnen oder Nachbarn, die sich über die Corona-Maßnahmen zerstritten haben, könnte das zum Beispiel so aussehen: „Es war respektlos von mir, dich einen Covidioten zu nennen. Das hat dich bestimmt wütend gemacht. Wenn wir das nächste Mal zusammen einen Wein trinken, lasse ich dich ausreden, versprochen.“

Am Handwerk dürfte es also nicht scheitern. Auch hier liegt die Krux in der Überwindung. In Situationen wie dieser kommt es darauf an, „die Eitelkeiten hinter sich zu lassen. Sturer Stolz hilft jetzt nicht weiter“, stellte der Psychoanalytiker und Paartherapeut Wolfgang Schmidbauer in der Süddeutschen Zeitung klar.

Darüber, dass wir einiges zu bereden haben, herrscht ja schon mal weitgehend Einigkeit …

 

  1. Unterschiede aushalten und respektieren

Mit Respekt hat auch die dritte Dialogkompetenz zu tun, die uns wieder zusammenführen kann. Auch sie ist für die Dauer angelegt, nicht als Quick-fix. So wie das Virus uns noch eine Weile begleiten wird, werden auch manche der Meinungsverschiedenheiten uns nicht so bald loslassen.

Selbst wenn wir eines Tages doch mal alle gemeinsam über diese dunkle Zeit und manche hitzköpfige Debatte lachen sollten, werden wir nicht in einer heilen Welt leben: Potenzial für Dispute wird es immer geben. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Denn in einem sind wir uns bestimmt einig: Spaltungen in der Dimension einer Corona-Debatte hält unsere Gesellschaft nicht unbegrenzt oft aus.

Wie wahrt man über Differenzen hinweg den Respekt voreinander? Wie bleibt man im Gespräch, auch wenn man gegensätzlicher Meinung ist? Die Antwort ist beinahe so alt wie die Rhetorik: indem man beim Diskutieren Sach- und Beziehungsebene trennt. Ich kann meine Frau lieben und ihr trotzdem widersprechen. Das mag unsere Beziehung zueinander nicht einfacher machen – aber ehrlicher, interessanter und vor allem auch belastbarer. Menschen, die sich über Unterschiede und sogar Gegensätze verständigen können, sind schwer zu trennen. Dialogfähigkeit ist das Rüstzeug, mit dem sich Krisen überwinden lassen. Und das ist genau das, was wir jetzt brauchen.

Wenn Eltern in Erziehungsdingen unterschiedlicher Meinung sind, geht es doch auch! Warum? Weil es einen gemeinsamen Nenner gibt: Die Sorge um das Wohl des gemeinsamen Kindes. Auf dieser Basis findet sich irgendwie eine Lösung, auf die man sich einigen kann. Das Prinzip ist bei anderen Themen dasselbe. Zum Scheitern verurteilt sind Beziehungen und Gesellschaften erst, wenn es gar keinen gemeinsamen Nenner mehr gibt. Für alles andere gibt es eine Lösung.

Man muss allerdings noch miteinander reden können, um sie zu finden. Können wir?

 

Redend heilen: Drei Impulse für die Rückkehr zum Miteinander  

Argumente können uns trennen, aber der Diskurs kann uns wieder zusammenführen. Genau dafür ist er nämlich eigentlich da – nicht dafür, sich gegenseitig das Leben schwerzumachen. Gegen das Virus der Meinungsmache, gegen Angstprofitierende und gegen die Manipulationsmuster in den sozialen Medien gibt es leider noch keine Impfung. Gegen misslingende Dialoge dagegen ist ein Kraut gewachsen: Am besten fahren wir, indem wir im Gespräch bleiben, statt uns gegeneinander aufhetzen zu lassen.

Hier noch einmal drei Wege, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen, auf einen Blick:

  1. Besser zuhören: Verständigung beruht auf Gemeinsamkeiten – doch die überhört man, wenn man sich von inneren Widerständen vereinnahmen lässt.
  2. Entwicklung zulassen: Beziehungen sind immer under construction. Die Bereitschaft zu verzeihen und die Fähigkeit, sich aufrichtig zu entschuldigen, wirken stabilisierend und bindend.
  3. Unterschiede aushalten: Ein kontinuierlicher Dialog beruht auf einer respektvollen Haltung. Wer andere Menschen in ihrer Eigenständigkeit achtet, darf ihnen auch widersprechen.

Kommen Sie gut an!

Ihr René Borbonus

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Beredte Stille – Was wir hören, wenn wir nichts hören https://communico.de/beredte-stille Tue, 30 Nov 2021 16:21:24 +0000 https://communico.de/?p=34710 Für viele ist Stille in diesen lauten Zeiten ein mentaler Sehnsuchtsort. Mit bedeutet sie mehr als das: Sie hilft mir, besser zu kommunizieren. Lesen sie hier, warum ich die Praxis stiller Momente zur Nachahmung empfehle.

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Beredte Stille 

Was wir hören, wenn wir nichts hören

Hegen auch Sie manchmal den heimlichen Wunsch, die Welt einmal aussperren zu können und mit Ihren Gedanken allein zu sein? Ihre Antwort sagt viel darüber aus, wer Sie sind und wie Sie leben. Für viele ist Stille in diesen lauten Zeiten ein mentaler Sehnsuchtsort. Mit bedeutet sie mehr als das: Sie hilft mir, besser zu kommunizieren. Lesen sie hier, warum ich die Praxis stiller Momente zur Nachahmung empfehle.

Vor einiger Zeit verbrachte ich vier Tage allein im Spreewald. Allein das hat manche schon veranlasst mich zu fragen, ob mit mir alles in Ordnung sei: „Wer will denn freiwillig mit sich und mit all dieser Stille allein sein?“

Ich will das. Ich höre mich gern selbst denken. Ja, mir ist klar, wie das klingt, aber so meine ich das nicht. Es ist eher so, dass ich nicht oft dazu komme, mit mir und meinen Gedanken allein zu sein. Das Alleinsein, genauer gesagt: Die Stille um mich herum verschafft mir Klarheit über mich selbst, über die Welt und meinen Umgang damit und eben auch über die Dinge, die ich sage. Deshalb brauche ich die Stille, wenigstens hin und wieder.

Aus diesem Grund habe ich bei meiner Reise in den Spreewald auch mein Smartphone zu Hause gelassen. Nicht vergessen, nein: zu Hause gelassen. Absichtlich. Ich gebe zu: Ich habe lange darüber nachgedacht, ob das wirklich eine gute Idee ist. Im Nachhinein muss ich sagen: eine meiner besten. Die Effekte waren nämlich verblüffend. In den ersten Stunden fiel mir auf, wie oft ich zum Handy gegriffen hätte, wenn ich es denn bei mir gehabt hätte. Im Alltag merken wir ja nicht, wie süchtig wir wirklich sind. Je länger die Abstinenz andauerte, desto deutlicher wurden die Auswirkungen: Ich schlief deutlich besser als normalerweise. Ich war um einiges konzentrierter. Ich hatte viel mehr Zeit zu lesen. Innerhalb von wenigen Tagen kam ich auf mehr brauchbare Ideen für meine persönliche Kommunikation und für meine Arbeit als in den Monaten zuvor zusammengenommen.

Mein Experiment kam zu einem klaren Ergebnis: Stille ist gut für die Kommunikation. Deshalb möchte ich Sie mit diesem Beitrag anstiften, auch in Ihrem Leben wieder mehr davon zuzulassen.

 Warum wir Stille nicht mehr schätzen können    

Dass dieses Plädoyer überhaupt nötig ist, liegt daran, dass Stille in unserer Welt keinen guten Ruf mehr hat. Sie widerspricht nämlich unserem vollvernetzten Lebensentwurf der permanenten Sendungs- und Empfangsbereitschaft. Für die meisten Menschen, da sind sich auch die Wissenschaften einig, ist „Zeit für sich“ zur Mangelware geworden. Stille ist nicht mehr einfach nur die Abwesenheit von akustischen Signalen, sondern eine Art mentaler Sehnsuchtsort.

Dabei ist es nicht einmal so, dass wir keine Gelegenheiten hätten, abzuschalten. Es ist vielmehr so, dass wir es nicht tun. Wann immer wir auf uns selbst zurückgeworfen sind, gehen wir sofort ins Außen statt ins Innen, nämlich online. Der Stand der Forschung lässt keine Ausreden mehr zu, mit denen wir das beschönigen könnten: Die Internetsucht – also die Unfähigkeit, offline zu sein – funktioniert im Gehirn genauso wie eine Drogensucht. „Der Computer wirkt wie elektronisches Kokain“, sagt der US-Neurobiologe Peter Whybrow.

Das ist die individuelle Komponente des massiven Einflusses, den Smartphone & Co auf unsere Lebensgestaltung haben. Sie ebnet der kollektiven Komponente den Weg: Wir gewöhnen uns zunehmend daran, immer funktionieren zu müssen. Da sieht schnell jede Mußeminute aus wie Zeitverschwendung. Man könnte ja auf Sendung sein und „Dinge tun“, statt im eigenen Kopf unterwegs zu sein. Permanente Flexibilität und Verfügbarkeit sind in unserer modernen Lebensweise die Antagonisten der Stille.

Der prominente Soziologe Richard Sennett hat besonders eloquent argumentiert, was das mit uns macht – der Mann scheint sich noch Zeit zum Nachdenken zu nehmen. Wenn wir permanent im Dringlichkeitsmodus sind, verlieren wir den Kontakt zu uns selbst und unserer Persönlichkeit. Wir unterscheiden nämlich nicht mehr zwischen dem, was dringend erledigt werden will und dem, was uns eigentlich wichtig ist. Auf diese Weise verlieren wir unsere „Selbstkontinuität“: Die nachhaltige Anbindung an das, was mit unserer Persönlichkeit, unseren Zielen und unseren Bedürfnissen eigentlich kompatibel ist.

Hier kommt auch die Kommunikation ins Spiel. Denn wenn wir Prioritäten setzen, nächste Schritte planen, uns eine Meinung bilden und an Beziehungen arbeiten, überträgt sich das automatisch auf die Art, wie wir unsere Interaktion mit der Welt gestalten. Und das tun wir durch Kommunikation. Hier liegt die Chance, zugleich aber auch das Risiko. Ob unsere Gedanken und unsere Prioritäten sinnvoll gewachsen und durchdacht sind oder nicht: Die Kommunikation findet statt. Entweder erwächst sie aus dem Affekt zwischen Tür und Angel – oder aus der Kontemplation, die Stille ermöglicht.

Was besser für uns wäre, liegt auf der Hand: Unsere Persönlichkeit braucht Gelegenheit zur Reflexion, um zu wachsen. Deshalb reifen auch unsere Worte am besten in der Stille.

Wie Stille die Kommunikation verbessert   

Ich persönlich brauche die Stille, um an mir zu arbeiten. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich durch sie ein besserer Redner und ein besserer Gesprächspartner werde. Was das bedeutet, lässt sich gar nicht überschätzen. Kommunikation ist nun einmal das zentrale Gestaltungsmittel für unsere Beziehungen, und die bestimmen über unsere Lebensqualität. So gesehen macht die Kontemplation in der Stille mich zu einem besseren Unternehmer, einem besseren Freund, einem besseren Partner und einem besseren Vater.

In der Stille kommen mir die meisten und die besten Ideen für meine eigene Kommunikation, aber auch für Empfehlungen an meine Seminarteilnehmer, Firmenkunden und Leser. Ein paar Schlaglichter zeigen, was ich damit meine:

Stichwort Relevanz: Wenn ich permanent online oder unter Menschen bin, stehe ich unter der Dauerdröhnung fremder Meinungen und Einflussnahmen. So habe ich keine Chance, abzuwägen und in Ruhe Schlüsse zu ziehen. In der Stille wird mir erst klar, was wirklich wichtig ist und was ich demnach in der Kommunikation betonen, pflegen oder auch weglassen sollte. Das Nachdenken, das die Stille mir ermöglicht, hilft mir dabei, mir eine valide Meinung zu bilden und mich damit auch in Debatten einzubringen, anstatt einfach nur nachzuplappern, was andere sagen. Auch im Gespräch fördern Momente der Stille übrigens die Relevanz. Wenn wir Gelegenheit haben, das Gesagte sacken zu lassen, hilft das im Allgemeinen der Verständigung. Deshalb kann ich auch nichts mit der These in Smalltalk-Ratgebern anfangen, dass man ein Gespräch krampfhaft am Laufen halten müssen, damit es nicht unangenehm wird. Unangenehm ist Stille nur für den Gedankenlosen.

Stichwort Kreativität: Stille ist ein Nährboden für Inspiration. Ungestört von Emails, Nachrichten und Ablenkung durch andere lese, schreibe und denke ich mehr und vor allem gründlicher – denn es gibt nichts, was mich davon abhalten würde. Das ist nicht nur für die eigene Kommunikation gut, sondern auch für unseren Informations- und Bildungsstand im Großen und Ganzen. Auch das ist nämlich inzwischen erwiesen: Wir gewöhnen uns zunehmend daran, nur noch kleine Informations- und Meinungsbrocken zu konsumieren. Online-Texte sind auf Überschriften und Teasertexte fokussiert, die zu unseren hektischen Lektüregewohnheiten passen. Der Preis dafür ist, dass sie an der Oberfläche bleiben. In der Stille kann ich mich wirklich auf ein Buch oder andere, tiefergehende Inspirationsquellen einlassen, in die Gedankenwelt eintauchen – und im Idealfall als ein anderer wieder auftauchen.

Stichwort sprachliche Mittel, etwa bildhafte Sprache: Über wirklich gute Metaphern und Analogien muss man nachdenken. Nicht jedes sprachliche Bild hält stand, wenn man es einmal in konkreten Nutzungsszenarien durchdekliniert. Das ist notwendig, wenn das Bild oder der Vergleich verlässlich seinen Zweck erfüllen soll. Für dieses Herumkauen und Abschmecken muss man sich Zeit nehmen. Doch die ist gut investiert: Eine treffende Metapher kann über lange Zeit tragen und die ganze Kommunikation eines Experten oder eines Unternehmens nachhaltig prägen. Ist ein bisschen Stille da zu viel verlangt, um sie anständig auszuarbeiten?

Stille wagen    

Ich finde, wir haben ein Recht auf Stille. Indem sie unseren mentalen Zustand und unsere Kommunikation fördert, macht sie uns zu besseren Menschen. Das ist am Ende im Interesse aller. Wenn jeder sich dieses Recht nehmen würde, hätte die Stille schlagartig auch eine bessere Lobby. Denn in einem bin ich mir sicher: Die Sehnsucht teilen viele. Was uns fehlt ist die Konsequenz, auf Pause zu drücken. Deshalb gestehen wir sie auch anderen nicht zu.

Meine Empfehlung als Kommunikationstrainer ist: Seien Sie konsequent und organisieren Sie sich Stille. Als Vater und Unternehmer weiß ich nur allzu gut, dass das nicht leicht ist. Das fängt beim Faktor Zeit ja erst an; man muss auch die räumlichen Voraussetzungen bzw. die Gelegenheit haben, um im Büro mal eine Stunde ohne Kollegen zu verbringen oder zum Beispiel mal für ein paar Tage ohne Familie verreisen zu können. Die meisten von uns müssen dieses Recht gegen Widerstände durchsetzen. Die wirtschaftlichen Effekte einer guten, aus der Stille geborenen Idee erschließen sich in der Regel nämlich nicht sofort; man muss sich die Konsequenz einfach wert sein. Das ist nicht leicht, wenn das gesamte Umfeld auf Erreichbarkeit und Effizienz dringt.

Und dann muss man es natürlich auch noch wollen, dieses Zurückgeworfensein auf sich selbst. Bei vielen ist es nicht zuletzt die Angst vor Einsamkeit, die sie der Stille ausweichen lässt. Doch ich kann Sie beruhigen: Man kann durchaus allein sein, ohne einsam zu sein. Unterwegs auf Vortragstour bin ich oft auf mich zurückgeworfen. Immer wieder werde ich gefragt, wie ich das aushalte, wenn ich abends im Hotelzimmer so ganz allein mit mir bin. Ehrlich gesagt habe ich schon die Frage nie wirklich verstanden. Nicht nur macht die Stille meine Kommunikation relevanter, kreativer und effektiver. Ich genieße sie auch.

Eine weitere Erkenntnis aus meinem Smartphone-freien Spreewald-Aufenthalt ergab sich übrigens erst nach meiner Rückkehr: Es war verblüffend, wie viele Menschen sich plötzlich Sorgen um mich gemacht hatten, weil sie mich mal ein paar Tage nicht erreichten. Einerseits ist das irgendwie irre, andererseits aber auch schön. Die Abwesenheit von Kommunikation ruft uns in Erinnerung, wieviel der Austausch mit Menschen uns wirklich bedeutet. Auch auf diese Weise tut die Stille der Kommunikation gut.

Sie müssen ja nicht gleich in den Spreewald reisen, wo sich im Winter nicht einmal Mücken für Sie interessieren. Fangen Sie einfach damit an, dass Sie das Smartphone mal für ein paar Stunden ausschalten. Sie werden sehen: Stille ist gut fürs Reden.

Kommen Sie gut an!

Ihr René Borbonus

 

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Schweigen: die unterschätzte Gesprächsstrategie https://communico.de/schweigen Wed, 19 May 2021 06:29:00 +0000 https://communico.de/?p=32006 Einer der hartnäckigsten Irrtümer in der Rhetorik ist der Imperativ des Redens: Wenn man nur genug sagt, wird man auch zu den Menschen durchdringen. Forschungsergebnisse zur Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten zeigen: Der Redeanteil hat tatsächlich einen Einfluss darauf, wie erfolgreich das Gespräch sein wird – allerdings ganz anders als erwartet.

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Schweigen – die unterschätzte Gesprächsstrategie

Was Sie von der „sprechenden Medizin“ über gelingende Dialoge lernen können

Unter den vielen Arten von Gesprächspartnern, denen wir im Laufe unseres Lebens begegnen, haben Ärzte nicht unbedingt den besten Ruf. Das ist nicht nur aus Patientensicht unangenehm bis desaströs, sondern auch demografisch betrachtet, sagen wir: suboptimal. Denn zum einen werden wir immer älter, und zum anderen begegnen wir tendenziell immer mehr Ärzten, je länger wir leben.

Die Halbgötter in Weiß, heißt es oft, sprechen zu viel Fachchinesisch, nehmen sich zu wenig Zeit für Erklärungen und gehen nicht genug auf ihre Patienten ein. Diese Wahrnehmung ist in Medizinerkreisen durchaus nicht unbekannt; die Ärztinnen und Ärzte sind sich der Tatsache bewusst, dass es Optimierungsbedarf gibt. Deshalb gibt es seit Jahren einen Trend zur sogenannten „sprechenden Medizin“: Ärztinnen und Ärzte sollen mehr und besser mit ihren Patienten reden. Dass ihre Kommunikation funktioniert, liegt – auch abgesehen vom hippokratischen Eid – natürlich in ihrem eigenen Interesse: Patienten, die verstehen, neigen eher dazu, zu kooperieren. Und ohne kooperierende Patienten gestalten sich die meisten Therapieansätze schwierig. Eine Weisheit, die sich übrigens auf so ziemlich jede Branche übertragen lässt …

Um einiges überraschender als diese Ausgangslage sind allerdings einige der Erkenntnisse, die Bestandsaufnahmen der Arzt-Patienten-Kommunikation zutage gefördert haben. Unter anderem haben Studien gezeigt, dass die größte Baustelle nicht unbedingt das ist, was die Ärzte sagen. Wie sich herausgestellt hat, trägt es erheblich zu erfolgreicher Kommunikation bei, wenn die Doktoren häufiger und im richtigen Moment still sind. Was es damit auf sich hat, und welche weiteren überraschenden Hinweise aus der Patientenkommunikation sich auf Ihre eigenen Gespräche übertragen lassen, lesen Sie in diesem Artikel. Ärzte sind schließlich nicht die einzigen, die noch an ihrer Kommunikation arbeiten können …

 

Weniger (falsche) Worte: Warum Sie in Gesprächen nicht zu viel reden sollten    

Das Problem der Arzt-Patienten-Kommunikation beginnt – wie so vieles in unseren Dialogen – schon lange, bevor es überhaupt zu einem Austausch zwischen einem Mediziner und einem Erkrankten kommt. Die Wurzeln liegen in der Medizinausbildung, wie der Schweizer Palliativmediziner, Lehrstuhlinhaber und Buchautor Gian Domenico Borasio in einem Gastbeitrag für die ZEIT feststellt. In den sechs und mehr Jahren ihres Medizinstudiums lernen die angehenden Ärzte, einen mit Fachbegriffen gespickten Jargon zu sprechen, den kein Patient versteht – nur dass sie das oft gar nicht merken.

Wenn Ärzte nun aufgefordert werden, mehr mit ihren Patienten zu reden, führt das wozu? Genau: dass sie mehr von dem sagen, was keiner versteht. Der durchschnittliche Gesprächsanteil des Arztes in einem Aufklärungsgespräch über eine lebensbedrohliche Diagnose entspricht etwa 80 Prozent. „Die sprechende Medizin, so wie sie heute praktiziert wird, ist eher eine auf den Patienten einredende Medizin“, so Prof. Borasio. Die Zufriedenheit der Patienten mit Arztgesprächen hängt allerdings viel stärker mit ihrem eigenen Gesprächsanteil zusammen. Der sollte am besten sogar größer sein als der des Arztes.

Neben dem rhetorischen Übergewicht gibt es noch ein weiteres Problem mit den vielen Worten der Mediziner: Ärzte arrangieren ihre Aussagen oft ausgerechnet um die Begriffe herum, die ihr Gesprächspartner am wenigsten hören will. „Krebs“ ist so ein Wort, das ziemlich zuverlässig die Wahrnehmung blockiert: Steht dieser Elefant erst mal im Raum, geht bei den meisten Menschen kognitiv erst mal nicht mehr viel. Sie sind jetzt nämlich mit inneren Widerständen bis hin zu nackter Panik beschäftigt. Werden Patienten einige Tage später befragt, was von den danach folgenden Worten ihres Arztes über die Details der Erkrankung, Ursachen und deren Behandlung hängengeblieben ist, stellt sich oft heraus: nicht viel.

Beides geschieht auch in Gesprächen, die nicht in Krankenhäusern oder Arztpraxen stattfinden, jeden Tag: Wir sagen zu viel von dem, was für den anderen nicht hilfreich ist, und stacheln mit unserem Gewohnheits-Sprech beim Gesprächspartner unnötig Widerstände an. Beides lässt sich vermeiden, indem wir auf eine verständliche Ausdrucksweise achten und unsere Worte mit mehr Bedacht für den Anderen wählen.

 

Frauen sind die besseren Gesprächspartner: Warum Sie andere ausreden lassen sollten  

In beiden Aspekten sind Ärztinnen ihren männlichen Kollegen übrigens überlegen – wohlgemerkt im Sinne der Patientenorientierung, nicht im Sinne der Gesprächigkeit. Wie stark sich das auf den Therapieerfolg auszuwirken scheint, ist geradezu verblüffend: Eine Studie hat gezeigt, dass Patienten statistisch gesehen länger leben, wenn sie von Ärztinnen statt von Ärzten behandelt werden.

Die vermuteten Gründe liegen laut Prof. Borasio darin, dass die Kolleginnen weniger reden, sich verständlicher ausdrücken und auch besser zuhören. Im Schnitt unterbrechen sie den Patienten erst nach drei Minuten, während ihre männlichen Kollegen es nur 47 Sekunden aushalten.

Angesichts dieser Ergebnisse sehe ich mich in einer Beobachtung bestätigt, die ich auch jenseits der Medizin in allen möglichen professionellen Umfeldern mache: Ständig fällt mir auf, dass die längsten Redebeiträge von Frauen immer noch kürzer sind als die kürzesten von Männern. Das alte Vorurteil, dass Frauen mehr reden würden als Männer, können wir langsam wirklich mal an den Haken hängen.

Vor allem aber kann der Hinweis aus der Medizin uns auch für unsere täglichen Gespräche eine Mahnung sein: Den anderen ausreden zu lassen ist eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Kommunikation. Den eigenen Redeanteil wirkungsvoll zu gestalten, ist wichtig. Noch wichtiger ist aber, das Ergebnis der Interaktion im Blick zu haben – und dazu muss und will auch der Gesprächspartner seinen Beitrag leisten.

 

Empathie ist die beste Medizin: Warum Sie aktives Zuhören praktizieren sollten

Parallel zur Entwicklung ihres Fachjargons durchlaufen angehende Ärzte noch eine weitere Wandlung, die sich ungünstig auf ihre Kommunikation auswirkt. Mit fortschreitender Ausbildungsdauer lässt ihre Empathie-Fähigkeit zunehmend nach. Je mehr sie über „den Menschen“, über Krankheiten und über ihr Fachgebiet wissen, desto weniger können sie sich in die Sorgen und Nöte von Patienten einfühlen.

Ein Problem ist das vor allem deshalb, weil Patienten gerade für diesen Aspekt in Gesprächen mit ihren Ärzten sehr sensibel sind. Sie erinnern sich noch Jahre später daran, wie einfühlsam ihr Arzt war, als er ihnen die Nachricht über die Erkrankung überbracht hat. Das wirkt sich wiederum in hohem Maße auf ihre Kooperationsbereitschaft und ihre Zufriedenheit mit der Behandlung aus. Auch das ist ein Phänomen, das weit über die Medizin hinaus anzutreffen ist.

Das wichtigste Werkzeug der Empathie ist das aktive Zuhören. Patienten – wie alle anderen Gesprächspartner auch – fühlen sich gut aufgehoben, wenn sie aufrichtiges Interesse beim Anderen spüren. Schon eine körperlich zugewandte Haltung und Augenkontakt können da einen großen Unterschied machen. Ein weiteres förderliches Signal sind interessierte Nachfragen, die auf das Gesagte Bezug nehmen. Auch Beobachtungen während des Gesprächs zu spiegeln zeigt dem Anderen, dass Sie wirklich präsent sind.

 

Tl;dr: Wie Sie wirkungsvoller kommunizieren, indem Sie sich zurücknehmen   

All das verlangt danach eine Tugend zu praktizieren, die in der Rhetorik viel zu selten gefordert und deshalb auch unterschätzt wird: Schweigen. Denn bei näherer Betrachtung ist das Schweigen eine sehr wirkungsvolle Gesprächsstrategie. Nur, wer im richtigen Moment die Klappe hält, schafft die Voraussetzung, um „urteilsfrei, aufmerksam und – im eigentlichen Sinne des Wortes – wohlwollend zuzuhören“, wie Prof. Borasio von seinen Kollegen fordert. Eine gesprächstherapeutische Maßnahme, die wir alle uns selbst verschreiben können – ganz ohne Arztgespräch!

Hier noch einmal zusammengefasst drei Empfehlungen für beredtes Schweigen:

  1. Kontrollieren Sie Ihren Gesprächsanteil und Ihre Wortwahl in Dialogen, um den Anderen nicht mit zu vielen und zu vielen falschen Wörtern zu überfahren.
  2. Lassen Sie Ihren Gesprächspartner zu Wort kommen und vor allem ausreden, dann steigt seine Zufriedenheit mit der Kommunikation automatisch.
  3. Zeigen Sie Präsenz durch aktives Zuhören, indem Sie sich zuwenden, Augenkontakt halten, interessiert nachfragen und Beobachtungen spiegeln.

Kommen Sie gut an!

Ihr René Borbonus

 

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