Wer nicht wagt …

Wer nicht wagt …

Warum positive Rhetorik auch in der Krise die bessere Wahl ist

Pessimismus müssen wir nicht üben – daran lassen die allgemeine Stimmung und die destruktiven Wortgefechte über wichtige Zukunftsthemen gerade keinen Zweifel. Dabei ist eine konstruktive Debatte die Basislinie jedes Aufwärtstrends, in der Politik genauso wie in der Wirtschaft. Schlechte Stimmung schlägt nicht nur auf den Magen, sondern auch auf die Ergebnisse, wie ein Vergleich aus der Automobilindustrie zeigt. 

Es gibt viele Möglichkeiten, rhetorisch mit einer Krise umzugehen. Man kann die Situation ignorieren und weitermachen wie zuvor. Man kann jammern und Schuldzuweisungen in alle Richtungen verteilen. Man kann sich für verloren erklären und alles hinschmeißen. Man kann schönreden und das Beste hoffen oder schönreden und schon mal die Hintertür aufschließen.

In Deutschland verzeichnen wir derzeit einen erkennbaren Trend zur Option Jammern und Schuld verteilen: immer vom Schlimmsten ausgehen und Vorkehrungen für den absoluten worst case treffen, vor allem rhetorisch – das scheint gerade unser Rezept für die gesamtgesellschaftliche Krisenkommunikation zu sein. Man stelle sich vor, das wäre Churchills Botschaft gewesen, als er die Briten auf einen langen Krieg gegen Hitler einschwor: „Sie fragen, was ist unser Ziel? Ich kann es Ihnen in einem Wort nennen: Sieg, denn ohne Sieg gibt es kein Weiterleben. Aber wahrscheinlich verlieren wir.“

Betrachten wir zum Vergleich zwischen der Wirksamkeit negativer und positiver Rhetorik doch einfach mal eine Branche, die sich mit engen Kurven und Crashszenarien auskennt: der Automobilindustrie. Zwei der größten deutschen Marken liefern nämlich seit einiger Zeit eine regelrechte Feldstudie in Krisenkommunikation ab, die tief blicken lässt – und sich merklich auf ihre Zukunftsprognosen auszuwirken scheint.

VW: Pessimismus auf Rädern   

Die gute Nachricht – aus gutem Grund – zuerst: Die übelsten Prognosen haben sich für die VW-Community erst einmal nicht erfüllt, und einige der nachfolgend dargestellten Maßnahmen sind zumindest für den Moment vom Tisch. Dennoch sollen bis 2030 insgesamt über 35.000 Stellen abgebaut werden, und auch die übrigen Einsparungsmaßnahmen schneiden tief.

Schockierend genug also, dass die Horrorszenarien, die zunächst im Raum standen, noch übler klangen. Eine der wichtigsten deutschen Marken kündigte Ende 2024 den Supergau an: Ganze drei Werke (und damit ein Drittel aller VW-Produktionsstätten) stünden auf der Kippe, hieß es Ende letzten Jahres – und zwar nicht schlimmstenfalls, sondern mindestens. Es war wie ein Dolchstoß ins Herz der deutschen Wirtschaft, deren wichtigster Eckpfeiler die Automobilindustrie und ihre Zulieferer aus dem Mittelstand noch immer ist. Sogar Experten zeigten sich erschrocken: Solche Einschnitte habe man hierzulande, in der Kernindustrie unserer Wirtschaft, noch nie gesehen.[i]

Das alles kam wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, als VW durchaus Gewinne schrieb. Als Begründung angeführt wurde nicht etwa akuter Geldmangel, sondern mangelnde Wachstumsperspektiven. Wie in den meisten anderen Branchen auch ist der Absatz in China zuletzt eingebrochen, und die Lage in Europa und anderswo kann das derzeit nicht abfangen. Donald Trumps Ankündigung hoher Zölle auf im Ausland produzierte Produkte ist da nicht gerade hilfreich. Vor allem aber klagte man darüber, dass man in Asien und anderswo lieber auf inländische Marken zurückgreife, als die verfügbaren E-Modelle von VW zu ordern. Deshalb solle man doch bitte, so die bedauernswert folgerichtige Konsequenz, das Verbrenner-Aus in Europa verschieben, damit man mehr der verfügbaren und besser verkäuflichen traditionellen Modelle absetzen könne.[ii]

Die meisten Marktbeobachter fanden deutliche Worte zum Jammerkurs: VW, einst größter Automobilhersteller der Welt, hat schlicht die Transformation zur E-Mobilität und digitalen Mobilität verschlafen. Nun ersuchten die Wolfsburger mit dem Jammerkurs um Rettung durch die Politik und das Universum im Großen und Ganzen.

Die Stimmung bei VW im Zusammenhang mit der Zukunft der E-Mobilität lässt sich rhetorisch also zusammenfassen mit: streichen, eindampfen, sparen.

BMW: Freude am Wandel     

BMW, für diese Schlussfolgerung muss man kein Branchenexperte sein, steht vor denselben Herausforderungen, die auch VW plagen. Das Verbrenner-Aus ist für jeden Traditionshersteller eine Herausforderung, wie es seit der Erfindung des Automobils noch keine gegeben hat. Tatsächlich geht es darum, sich als Marke in höchstem Maße neu zu erfinden. Es ist keine Übertreibung zu sagen: Die Karten am Mobilitätsmarkt werden durch die Einführung des E-Autos und digitaler Mobilitätsservices völlig neu verteilt.

Da kann man auf eine der eingangs genannten Strategien zurückgreifen, die Schuldfrage stellen und Foulplay beklagen – ungeachtet der Tatsache, dass alle Spieler und alle Teams in diesem Wettbewerb gleichermaßen betroffen sind. Oder man kann die Ärmel hochkrempeln und sich kopfüber in die Veränderung stürzen, wie BMW es – nach anfänglichen Startschwierigkeiten wie bei allen deutschen Herstellern – inzwischen mit wachsendem Nachdruck tut.

Während VW also die Absatzeinbrüche in China und anderswo beklagte, bejubelte BMW schon steigende Produktionszahlen für 2024, bevor sie überhaupt eintraten. Während VW fünfstellige Entlassungen androhte, freute man sich bei BMW über die bescheidene Zahl von 600 Neueinstellungen. Und während VW schon mal ohne Not drei Werke auf die Abschussliste setzte, investierte man bei BMW dreistellige Millionenbeträge allein in zwei bayerische Werke.[iii]

Bei BMW scheint das Motto für die E-Zukunft also – zumindest einmal rhetorisch betrachtet – zu lauten: einstellen, wachsen, investieren.

Ohne Äpfel mit Birnen vergleichen zu wollen: Klingt all das nach zwei Unternehmen, die am selben Markt tätig sind?

Warum Optimismus nicht nur rhetorisch die bessere Wahl ist       

In welchem von beiden Unternehmen mag die Motivation in der Belegschaft wohl gerade höher sein – und auf der anderen Seite der Gleichung die Kaufmotivation bei den Kunden? Auch ohne eine repräsentative Umfrage durchzuführen, habe ich keine Scheu, mich in dieser Frage festzulegen.

Dafür gibt es psychologisch gesehen auch solide Anhaltspunkte. Ein Schelm, wer seine Schlüsse daraus zieht: Etwa um dieselbe Zeit, in der VW seine Katastrophenmeldungen in die Welt setzte, veröffentlichte das Handelsblatt einen Artikel über die Bedeutung von Optimismus in der Krise – mit dem Foto einer atomgetriebenen Automobilstudie aus den 60er Jahren als Symbolbild.[iv] Der Artikel zitiert John F. Kennedy. Der hielt seinerzeit Kritikern des amerikanischen Raumfahrtprogramms entgegen, es handele sich bei der geplanten Mondlandung um einen „Akt des Glaubens und der Vision“. Sieben Jahre später sprach ein gewisser Neil Armstrong die Worte aus, die noch heute jedes Mal zitiert werden, wenn wir über Fortschritt sprechen.

Dass unser Gehirn negative Informationen aus evolutionären Gründen bevorzugt verarbeitet, ist inzwischen hinreichend bekannt; unseren Vorfahren sicherte dieser Selektionsmodus das Überleben. Nur Zukunft lässt sich damit schwerlich gestalten. Pessimisten gründen keine Unternehmen und setzen nicht alles auf Innovationen. Genau das aber brauchen wir gerade. Denn andere tun bereits, was wir uns noch nicht trauen. Insbesondere mit Blick auf die Automobilindustrie.

Die gute Nachricht ist, dass Optimismus sich durchaus trainieren lässt – zum Beispiel, indem man sich bei aller Negativdröhnung in den Schlagzeilen auf das Positive fokussiert, das immer auch da ist, wenn man es nur sehen will.

Genau hier kommt die Macht guter Worte ins Spiel, oder anders formuliert: Die Kraft der positiven Rhetorik. Und das ist zusammengefasst vor allem eine, die fragt, erörtert und argumentiert, anstatt zu konstatieren, auszuschließen und zu urteilen. Auch in schlechten Zeiten liegt der einzig konstruktive Fokus einer Debatte darin, zu betrachten, was man aus einer Situation machen kann – nicht daraus, sie zu bejammern. „Wir unterschätzen, wieviel Psychologie in der Zukunft steckt“, wird in besagtem Handelsblatt-Beitrag Stefan Brandt zitiert – seinerseits Direktor des Futuriums Berlin, einer Art musealem Thinktank für Zukunftstrends.

Einer der bekanntesten Psychologen der Welt, der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann, hat schon vor vielen Jahren auf den wichtigen Zusammenhang zwischen Erfolg und Optimismus hingewiesen. Er bezog sich dabei auf die höhere Resilienz von Optimisten im Angesicht von Krisen und Herausforderungen:  „… Sie geben nicht so schnell auf. Das kann oft entscheidend sein. Wenn ich eine Fußballmannschaft unterstütze, dann möchte ich, dass sie glaubt, gewinnen zu können. Denn dann spielt sie besser.“[v]

Optimisten halten also länger durch, wenn es darauf ankommt. Wichtig ist das nicht nur, weil große Erfolge sich selten sofort einstellen – sondern auch deshalb, weil wir in Krisen optimistische Botschaften brauchen, die uns zum Weitermachen motivieren. Die großen Veränderungen, vor denen wir gerade stehen, sind allesamt Generationsthemen.  Jammern ist gerade wirklich nicht das, was wir nötig haben Es ist an der Zeit für Worte, die uns Mut machen, statt uns zu frustrieren.

Je größer die Herausforderung, desto wichtiger der Optimismus

Es ist ja nun wirklich nicht so, dass wir keine guten Erfahrungen mit Optimismus gemacht hätten. Historisch betrachtet haben wir unser größtes nationales Wunder, das Wirtschaftswunder nämlich, durch radikalen Optimismus im Moment der tiefsten Krise erlebt. Durch Anpacken, aufbauen und darüber reden. Mit und nach der friedlichen Revolution von 1989 ist uns ein ähnlicher Kraftakt ein weiteres Mal geglückt – eingeleitet von rhetorischen Bekundungen einer zutiefst zuversichtlichen, politischen Überzeugung. Wir werden bis heute international dafür bewundert, auch wenn wir uns intern noch immer in gegenseitiger Manöverkritik verlieren.

Wir können Wunder – auch unter schlechten Vorzeichen, wie nicht zuletzt unsere Fußballwunder beweisen. Wir haben es bewiesen, wiederholt. Warum reden wir angesichts der aktuellen Krisen alles schlecht, anstatt auch mal darüber? Schließlich ist es kein Geheimnis und gut erforscht, dass Erfolgserlebnisse die Selbstwirksamkeit steigern.

Warum scheint uns an der Schwelle eines neuen Zeitalters, bei dem genau diese Tugend des anpackenden Optimismus uns vielleicht mehr weiterhelfen könnte als je zuvor, der Optimismus ausgegangen zu sein? Warum knüppeln wir gerade jeden Vorschlag und jeden Zukunftsplan nieder, als hätte das irgendwann einmal funktioniert? Warum trauen wir unserer eigenen Courage nicht?

Eine einfache Antwort möchte ich gern gleich ins Rennen schicken, als Diskussionsgrundlage für die weitere Debatte: Im Gegensatz zu den genannten Herausforderungen macht uns gerade niemand vor, wie Optimismus in schwierigen Zeiten aussieht. Die politische Debattenkultur in diesem Wahlkampf ist schon wieder eine der gegenseitigen Vorhaltungen und Schuldzuweisungen. Wo sind die Stimmen des Aufbruchs? Es ist an der Zeit für Worte, die uns Mut machen, statt uns zu frustrieren.

Kommen Sie gut an!

Ihr René Borbonus

 

[i] Alina Leimbach: Warum Volkswagen in der Krise steckt, tagesschau.de, 28.10.2024, https://www.tagesschau.de/wirtschaft/volkswagen-werksschliessungen-analyse-100.html

[ii] Ebd.

[iii] Ausgezeichnete Perspektiven für die BMW Group in der Oberpfalz – Werk Regensburg investiert und stellt weiter ein, Pressemeldung der BMW Group vom 15.03.2024, https://www.press.bmwgroup.com/deutschland/article/detail/T0439707DE/ausgezeichnete-perspektiven-fuer-die-bmw-group-in-der-oberpfalz-–-werk-regensburg-investiert-und-stellt-weiter-ein?language=de

[iv] Volker Kühn: Warum Optimismus in Krisenzeiten unverzichtbar ist, Handelsblatt online, 08.11.2024, https://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/optimismus-warum-optimismus-in-krisenzeiten-unverzichtbar-ist/100084264.html

[v] „Optimisten sind im Vorteil“, Interview mit Daniel Kahnemann, Spiegel online, 06.06.2012, https://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/psychologie-optimisten-sind-im-vorteil-a-835306.html

 

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