Was ist zielführend? Geschickte Interaktion in Verhandlungen

Was ist zielführend?
Geschickte Interaktion in Verhandlungen.

Schon vor der eigentlichen Verhandlung ist es wichtig das konkrete Verhandlungsziel ebenso zu definieren, wie die Schmerzgrenze.

Auch ist es sinnvoll sich auf den Verhandlungspartner vorzubereiten und mögliche Einwände des Verhandlungspartners zu identifizieren und den Umgang damit vorzubereiten. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass die konkrete Vorbereitung der Verhandlungen schon zu einem übergroßen Teil über den Erfolg der Verhandlung entscheidet. Was Rudi Carrell einmal ange- henden Showmastern empfiehl können wir nahtlos auf Verhandlungen übertragen: „Wenn Du in einer Show ein Ass aus dem Ärmel ziehen willst, dann musst Du da vorher eines reintun.“

Doch eine gute Vorbereitung ist eben nur ein – wenn auch sehr wichtiger – Teil der Verhandlungen. Es ist eben nicht alles Planbar und manchmal treffen wir auf Verhandlungspartner, die scheinbar völlig irrational oder unvorhergesehen agieren.

In diesen Fällen hilft nur eines: Ruhe bewahren und genau zu überlegen: Was ist denn jetzt zielführend? Diese Frage können Sie gar nicht groß genug schreiben, denn es ist schlicht diese Frage, die sie sich selbst in den hitzigsten Situationen stellen sollten. Aus meiner Sicht hilft sie gerade in emotional aufgeheizten Situationen. Was ist zielführend? Welches Verhalten bringt mich meinem Ziel tatsächlich näher? Wie kann ich jetzt clever interagieren?

Clever interagieren bedeutet vor allem auf alles zu verzichten, was zu Unstimmigkeiten auf der Beziehungsebene führen kann. Vermeiden Sie Ihren Gegenüber in eine Rechtfertigungsposition zu bringen. Vermeiden Sie Druck. Sprechen Sie über ihre Interessen und erfragen sie die Interessen des Anderen. Kurz: Stärken Sie die Beziehung zum Anderen.

Wenn wir das Gefühl haben uns rechtfertigen zu müssen, dann haben wir auch oft das Gefühl angegriffen worden zu sein. Grundsätzlich mögen wir es nicht uns rechtfertigen zu müssen oder das Gefühl zu haben uns rechtefertigen zu müssen. Im Sinne einer guten Beziehung ist das nicht sinnvoll.

Ebenso gilt es nach Möglichkeit Druck zu vermeiden.

Manchmal setzen wir uns selbst oder unseren Verhandlungspartner völlig unnötig oder auch unüberlegt unter Druck.
Wie oft habe ich in Verhandlungen schon Dinge wie „das ist mein letztes Wort“ gehört – übrigens folgte dann häufig: „das ist jetzt aber mein allerletztes Wort…“ und Menschen, die nach Ihrem „letzten Wort“ noch ein „allerletztes Wort“ haben, haben es auch an vielen anderen Stellen einer Verhandlung schwer. Wenn Sie nach ihrem letzten Wort noch ein allerletztes Wort haben, dann werden Sie schlicht als nicht glaubwürdig wahrgenommen.

Wenn Sie Ihren Verhandlungspartner mit dieser Formulierung nur unter Druck setzen wollen, dann seien sie sich auch der Konsequenzen bewusst. D.h. Wenn Sie sagen, „das ist mein letztes Wort“ oder „das ist mein letzten Angebot“, dann muss das auch Ihr letztes Wort oder letztes Angebot bleiben – auch wenn daraufhin die Verhandlung ohne Ergebnis beendet wird

Wenn Sie diese Formulierung bewusst wählen, weil ihre tatsächliche Schmerzgrenze erreicht ist, dann ist es wichtig und richtig das klar zu kommunizieren. Auch wenn der Deal dann nicht zu Stande kommt – doch ein geplatzter Deal ist allemal besser, als drei, bei denen Sie draufzahlen oder über Ihre tatsächliche Schmerzgrenze hinausgegangen sind.

„Mein letztes Wort“ zu sagen, nur um Druck auf den Verhandlungspartner auszuüben ist auch deshalb nicht sinnvoll, weil Menschen sich nicht gerne unter Druck setzen lassen und dann häufig schon aus Prinzip Nein sagen.

Auf Druck gibt es nur drei Möglichkeiten der Reaktion:

1. Gegendruck
2. Flucht
3. Druck beugen

Jede dieser Reaktionen führt wieder zu Störungen auf der Beziehungsebene. Wenn ich mit Gegendruck reagiere bin ich schnell im Kampfmodus – Auge um Auge,Zahn um Zahn. Dabei verliere ich leider oft das eigentliche Ziel aus dem Auge und versuche nur noch gegen den Anderen zu gewinnen. Leider auch oft zu den eigenen Lasten.

Wenn ich auf Druck mit Flucht reagiere erreiche ich mein Ziel natürlich auch nicht.

Dann bleibt letztlich nur die Frage: War dieser Abbruch der Verhandlung eine einmalige Sache, d.h. ist damit die Verhandlung in Gänze beendet oder war es eine Flucht auf Zeit, weil ich mich der Verhandlung gar nicht wirklich entziehen kann? Muss ich wieder in diese Verhandlung zurückkehren? Und wenn ich das muss, ist Flucht dann zielführend?

Wenn ich mich 3. dem Druck beuge, dann signalisiere ich natürlich meinem Gegenüber: mit mir kannst Du das machen. Ich bin so abhängig, dass ich letztlich alles akzeptieren muss. Damit schwäche ich meine Verhandlungsposition ganz ungemein und werde wahrscheinlich nicht mehr als Verhandlungspartner auf Augenhöhe wahrgenommen. Auch das ist natürlich nicht zielführend!

Zudem kommt, dass ich sofort im Anschluss versuche dieser Abhängigkeit zu entfliehen. Ich suche Alternativen um nicht wieder in diese Situation zu kommen.

Wenn Ihr Gegenüber sich diesem Druck beugen muss, tut er übrigens genau dasselbe: Er sucht sofort im Anschluss nach Alternativen zu Ihnen oder Ihrem Unternehmen und sobald er eine echte Alternative gefunden hat fallen Sätze wie: „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, das wir in Zukunft mit einen Wettbewerber von Ihnen zusammenarbeiten werden.

Sinnvoller erscheint mir in der cleveren Interaktion, die eigenen Interessen zu betonen, die Interessen der Verhandlungspartner zu erfragen und nach der Befriedigung beider Interessen zu suchen.

Wenn Sie über Interessen sprechen, sind Sie zudem auch deutlich flexibler als wenn Sie nur Ihre Positionen durchbringen wollen. Ein Klassiker der Verhandlungsführung ist das Harvard Prinzip. Seit 35 Jahren ein Standartwerk der Verhandlungsführung. Immer wieder wurde es neu erforscht, ergänzt, teils geändert, gelobt und kritisiert. Doch bei aller kritischen Betrachtung bleibt der Kern – nämlich das interessengeleitete Verhandeln – nach wie vor das erfolgversprechend.

Warum ist das so? Wenn sie Positionen aufbauen, wenn Sie mit Forderungen in Verhandlungen gehen, dann machen Sie es sich einfach unnötig schwer Positionen aufzugeben oder Forderungen zurückzunehmen – selbst wenn das sinnvoll wäre.

Die Interessen, die Sie verfolgen liegen hinter den Positionen oder anders formuliert: Positionen leite ich von meinen Interessen ab.

Angenommen ich spreche mit meiner Frau über den nächsten Sommerurlaub und sage: „Mir ist es letztlich egal, wohin die Reise geht, ich möchte nur Sonne, Strand und „Nichtstun“. Dann sind dass alles Positionen. Kann ich nun ihrem Vorschlag zu einer Wanderung in den Alpen zustimmen? Wohl eher nicht. Bis auf die Sonne müsste ich zwei wesentliche Forderungen zurücknehmen oder wesentliche Positionen räumen. Doch wenn meine Frau mich fragt, wozu genau ich denn Sonne, Strand und „Nichtstun“ will, dann sprechen wir nicht mehr über meine Forderungen, dann sprechen wir plötzlich über meine Interessen. Was verbinde ich mit Sonne, Strand und „Nichtstun“? Wie komme ich zu diesen Positionen? Und ich antworte, dass ich in diesem Urlaub wirklich entspannen möchte, dass ich auf andere Gedanken kommen möchte, weil ich doch im Job soviel Stress habe und nun Ruhe suche, etc., etc. … Nun erst kennt meine Frau meine Interessen und wir überlegen gemeinsam, wie diese Interessen befriedigt werden können.

Wenn ich letztlich im Urlaub Ruhe finde und entspannen kann ist es dann nicht egal welches Urlaubsziel es am Ende wird? Und ich ahnte ja nicht, wie entspannend lange Spaziergänge in den Alpen sein können, ich ahnte ja nicht, wie entspannend es sein kann, schweigend durch die Berge zu wandern und die unglaublich schöne Natur zu genießen.

Unterm Strich heißt das: ich fordere: Sonne, Strand und „Nichtstun“ und mache am Ende eine Wanderung durch die Alpen und all meine Interessen sind voll befriedigt!
Also fordern Sie in Ihrer nächsten Verhandlung nicht Sonne, Strand und „Nichtstun“, sondern sagen Sie: „Ich möchte im Urlaub gerne Ruhe und Entspannung finden. Und was genau ist Dir im Urlaub besonders wichtig?“

Ihr Lars O. Effertz

Hier gehts zum pdf-Download „Geschickte Interaktion“.

 

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