Rhetorische Zeitlupe: 3 Rhetorik-Impulse nach Dirkules für die ganz großen Momente

3 Rhetorik-Impulse nach Dirkules für die ganz großen Momente

Es gibt Redemomente, die man nie vergisst – weder als Zuschauer noch als Redner. Eines dieser rhetorischen Higlights wurde mir Anfang des Jahres zuteil. Als in Deutschland von Massenveranstaltungen noch keine Rede sein konnte, durfte ich in Dallas/Texas der Abschiedszeremonie von Dirk „Dirkules“ Nowitzki beiwohnen, der nach mehr als zwei Jahrzehnten seine einzigartige Karriere beendete. Eine solche Rede muss der Tragweite des großen Moments gerecht werden – ein Anspruch, der manchen Redner eher hemmt als zu beflügeln. Mit den folgenden drei Impulsen können auch Sie in Ihren ganz großen Momenten eine gute Figur machen.

In seiner hochpersönlichen, emotionalen und auch sehr unterhaltsamen Dankesrede verabschiedete Dirk Nowitzki sich im vollbesetzten Stadion der Dallas Mavericks von seinen Fans und Wegbegleitern, bevor sein Trikot mit der Nummer 41 unter das Stadiondach gezogen wurde, wo sie für immer bleiben wird. Das mitzuerleben war nicht nur menschlich bewegend, sondern auch ein rhetorisches Highlight für mich: Nichts erfüllt mich mit größerer Freude, als wenn die Kraft der Rhetorik mit der Magie ganz anderer Welten in Resonanz geht. Besonders befriedigend ist das, wenn es sich um eine Welt handelt, die der Rhetorik vermeintlich so fern ist wie beispielsweise der Spitzensport.

Entsprechendes Vergnügen bereitete es mir, wie Dirk Nowitzki mit großem Charme und noch größerem Herzen im Laufe seiner Rede eine Reihe von rhetorischen Highlights ablieferte und damit nicht nur seine engsten Weggefährten und Familie, sondern auch die Fans im prall gefüllten Stadion zum Lachen und zum Weinen brachte. Er verlieh dem großen Moment menschliche Wärme und unterhaltsame Leichtigkeit – eine Errungenschaft auch für routinierte Redner.

Die folgenden drei Impulse nach Dirkules können auch Sie nutzen, um die ganz großen Momente in Ihrem Leben oder im Leben anderer rhetorisch zu zelebrieren.

  1. Die Stimmung auflockern

In den ganz großen Momenten im Leben oder in der Geschichte einer Organisation herrscht oft eine hohe Anspannung, um nicht zu sagen: Es lastet ein hoher Druck auf den Beteiligten. Dieses Gewicht gilt es schnellstmöglich abzuschütteln – sonst wird die Rede genauso erdrückend auf die Zuschauer wirken, wie sie dem Redner auf den Schultern lastet. Reden zu besonderen Anlässen ändern nichts an den Kriterien einer guten Rede, und zu denen gehört Unterhaltsamkeit.

Dirk Nowitzki setzte den Spielzug Humor schon in den ersten Sätzen gleich doppelt ein. Zuerst reagierte er spontan auf das Verhalten seiner Kollegen und Wegbegleiter, die mit ihm auf dem Court standen und ihm stehend Beifall zollten:

„Ihr könnt euch setzen, setzt euch, danke. Das wird eine Weile dauern hier.“

Schon an diesem Punkt waren überall im Stadion Lacher zu hören, und das ist immer das bestmögliche Zeichen: Der Ton für die Rede war gesetzt. Das Publikum hatte verstanden: Jetzt kommt keine dröge Dankesrede, sondern ein unterhaltsamer Plausch. Damit war die Anspannung gebrochen, die auf diesem auch für viele Fans schweren Moment des Abschieds lastete. Umso mehr, als Nowitzki gleich noch einen nachlegte und über die winzige Bronzestatue witzelte, die man ihm zu Ehren hatte anfertigen lassen:

„Ich dachte, die Statue wird ein bisschen größer, aber sie sieht ganz gut aus.“

Kaum eine rhetorische Strategie ist universeller als der Humor. Das gilt gerade auch in den Momenten, in denen man nicht sofort darauf kommen würde. Redeanlass hin oder her: Die Zuhörenden wollen immer unterhalten werden. Humor ist dafür fast immer ein probates Mittel – jedenfalls dann, wenn er zur Rednerin oder zum Redner passt.

  1. Persönliches Storytelling

Es gibt verschiedene Wege, Menschen zu danken. Der am wenigsten unterhaltsamste ist eine Aufzählung von Dankesbotschaften – auch wenn die sich in einer solchen Rede am Ende einer langen Karriere natürlich nicht ganz vermeiden lassen.

Weitaus persönlicher und vor allem viel unterhaltsamer ist es, persönliche Geschichten aus der Erinnerung zu erzählen und die Menschen, denen man viel verdankt, zu Protagonisten zu machen. Das wirkt viel emotionaler und auch viel natürlicher als förmliche Dankesworte.

Dirk Nowitzki erzählte eine ganze Reihe von Geschichten, die symbolisch zeigten, was er den Wegbegleitern im Stadion zu verdanken hat. Eine davon fand ich besonders sympathisch, weil sie auf verschiedene Zuhörer ganz verschieden wirkte: exotisch-skurril auf die Amerikaner, vertraut und bodenständig auf die Deutschen. Sie drehte sich um seinen ersten US-Trainer Donnie Nelson, dessen Bruder und den damaligen Besitzer der Dallas Mavericks:

„Ich war gerade auserwählt worden, und ich war nicht sicher, ob ich in die USA gehen würde. Ich war mir nicht im Klaren darüber, ob ich bereit war. Sobald sie das hörten, stiegen sie in ein Flugzeug {…}, kamen in meine Heimatstadt Würzburg, trafen meine Familie {…}, wollten meine Wurzeln sehen, und das bedeutete mir viel. Sie sagten mir, dass sie den langen Weg gekommen waren und mich unbedingt wollten. {…} Wir stiegen zusammen in meinen kleinen Golf, meinen kleinen Volkswagen {…}. Während ich auf der Autobahn fahre, wurden sie beide bewusstlos vom Jetlag. Sie haben sich so ins Zeug gelegt, damit ich mich willkommen fühle und mit ihnen gehen will. {…} Nelsons, ich werde euch immer dankbar sein.“

  1. Imperfektion zulassen

Der dritte Impuls mag wirken wie ein schlechter Rat, doch er ist in dieser Aufzählung möglicherweise der wichtigste – ganz besonders in den Momenten, in denen es wirklich zählt. Die Versuchung ist groß, bei feierlichen Anlässen eine glanzvolle, perfekte Performance abliefern zu wollen und alles, aber auch alles richtig zu machen, um dem Augenblick gerecht zu werden und die Menschen zu erreichen.

Einen größeren Fehler kann man als Redner kaum machen. Nicht nur deshalb, weil es so etwas wie einen perfekten Auftritt nicht gibt. Sondern auch, weil Perfektion genau den gegen gegenteiligen Effekt auf die Zuhörer hat: Perfektion trennt den Redenden vom Publikum. Wir wollen keinen perfekten Rederoboter auf der Bühne sehen, sondern einen Menschen aus Fleisch und Blut, bei dem wir andocken können.

Deshalb machte Dirk Nowitzki alles richtig, indem er nicht versuchte, alles richtig zu machen. Und wenn die Gefühle ihn übermannten, was im Laufe der Rede immer mal wieder vorkam, nahm er sich einen Moment, um sich wegzudrehen, zu schniefen und sich die Tränen der Rührung aus den Augen zu wischen, die er mit vielen Anwesenden im Saal teilte.

Ein rhetorisches Mittel, das die Imperfektion sogar wirkungsvoll zu inszenieren vermag, ist die Selbstironie. Ihr bediente sich Dirk Nowitzki, als er die folgende Geschichte einer persönlichen Niederlage zum Besten gab:

„An meine anderen Mitspieler, ich hatte fast 200 davon. {…} Ich habe immer versucht, jeden zu respektieren, mit jedem Spaß zu haben, mich nicht als größeren Teil des Puzzles zu sehen. Ich wollte immer, dass jeder sich wohlfühlt. Das war mein Führungsstil, immer mit jedem Späße zu machen. {…} Als ich vor einigen Jahren den Twyman-Stokes Teammate of the Year Award gewann, wisst ihr, wie viele Teammitglieder damals für mich stimmten? Keiner. Das hat mir viel bedeutet.“

Genau in diesen Momenten der zufälligen oder zugelassenen Imperfektion bekam der große Dirkules den meisten Applaus, und das ist kein Zufall: Es ist das Menschliche, das Redner mit ihrem Publikum verbindet.

 

Menschen erreichen: 3 Rhetorik-Impulse nach Dirkules für besondere Anlässe

Je größer der Moment, desto größer das Bedürfnis nach Nähe, Gemeinschaft und Entlastung vom Gewicht des Anlasses. Die folgenden drei Impulse nach Dirk „Dirkules“ Nowitzki helfen Ihnen, auch Ihre großen Bühnenmomente für alle Beteiligten zu einem Genuss zu machen:

  1. Lockern Sie die Stimmung mit Humor auf: Es gibt kaum einen Anlass, bei dem Humor deplatziert wäre; gerade bei sehr getragenen Veranstaltungen haben die Menschen eine Auflockerung nötig.
  2. Erzählen Sie persönliche Geschichten, statt Dankesbotschaften abzuspulen: Ausgefeilte Dankesreden wirken oft gestelzt und kaum jemals unterhaltsam für alle anderen Anwesenden. Storytelling ist persönlicher und unterhaltsamer.
  3. Lassen Sie Imperfektion in der Form und als Absender zu: Nichts verdirbt eine Rede verlässlicher als kalter Perfektionismus. Eine Verbindung stellen Sie her, indem Sie sich als Mensch zeigen und sich selbst nicht zu ernst nehmen.

Die volle Rede von Dirk Nowitzki bei seiner Ruhestands-Zeremonie können Sie sich hier anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=XVkKF3j806I&t=27s

 

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